Im dunklen Tunnel des Zwiespalts

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Ursprünglich sollte Alt-Meister Krzysztof Penderecki ein neues Werk für das Haus am Ring schreiben. Das klappte nicht. So kam der renommierte deutsche Komponist Manfred Trojahn, der vor zwei Jahren mit einer seiner früheren musikdramatischen Arbeiten, "Limonen aus Sizilien", für den erfolgreichen Auftakt der zeitgenössischen Aktivitäten der Wiener Volksoper im Kasino am Schwarzenbergplatz gesorgt hatte, zu Staatsopernehren - mit "Orest". Uraufgeführt wurde er 2011 in Amsterdam, 2014 realisierte die Neue Oper Wien im Wiener Museumsquartier die österreichische Erstaufführung dieses Musiktheaters in sechs Szenen.

Als "Meister der Stimmungen" hat man den heuer 70 Jahre werdenden Komponisten einmal genannt. Als solcher erweist er sich in diesem 80-minutigen Opus doppelt: Er hat nicht nur die Musik komponiert, sondern auch das gleich beeindruckende Libretto, basierend auf Euripides' Drama und Ausschnitten von Nietzsches "Dionysos-Dithyramben", verfasst. Trojahn verschmilzt Apollo und Dionysos zu einer Figur, lässt Klytämnestras Schwester Helena und deren Tochter Hermione auftreten. Orest soll auch sie töten wie zuvor seine Mutter Klytämnestra, die davor ihren Mann, seinen Vater Agamemnon, erschlagen hatte. Nur Helena kommt durch Orests Beil um. Vor der Tötung Hermiones scheut der seit dem Mutter-Mord psychisch schwer gezeichnete Orest zurück, widersetzt sich so göttlichem Willen.

Belehren will Trojahn mit seinem Sujet nicht. Es geht ihm auch nicht um die Frage von Schuld und Sühne, sondern um den Dreiklang Schrecken, Schuld und Freiheit, was seine Musik unmissverständlich illustriert. Sie zeichnet sich durch aufrüttelnde Dramatik wie subtil schwingende, innere Bewegtheit eloquent ausdrückende Melodik aus. Das garantiert stete Spannung, rüttelt auf, konfrontiert mit der grundsätzlichen Frage, wie man sich aus einem zum Gefängnis gewordenen Tunnel von Zwiespalt befreien kann, um zu einer selbstbestimmten Freiheit zu gelangen.

Diese schier ausweglose Atmosphäre suggeriert modellhaft das in dunkles Licht gehüllte, sparsame Bühnenbild von Marco Arturo Marelli, der auch für die unaufdringlich-kluge Regie verantwortlich zeichnet. Evelyn Herlitzius prunkte als rachsüchtige Elektra, Andrey Luna beeindruckte als meist höhensichere Hermione, die pompös-aufdringlich kostümierte Laura Aikin erwies sich als vokal unterschiedlich glanzvolle Helena. Thomas Ebenstein überzeugte als wortdeutlicher Menelaos. Exzellent Thomas Johannes Mayer als prägnanter Gestalter der Titelpartie. Mit einer Souveränität sondergleichen führte Michael Boder das mit betörender Klangsinnlichkeit und höchst differenzierter Dynamik aufwartende, exzellente Orchester durch Trojahns aufrüttelnde Partitur.

Orest. Staatsoper, 5., 7., 10. April

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