Im Einbaum den Bach runter

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Peter Handkes jüngstes Opus im Burgtheater: ein ungeschlachter Schmerzensschrei gegen den Krieg - aber kein Stück.

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Peter Handkes jüngstes Opus im Burgtheater: ein ungeschlachter Schmerzensschrei gegen den Krieg - aber kein Stück.

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Es gibt im neuen Stück von Peter Handke die eine oder andere Stelle, die mit Nachsicht für poetisch gelten kann, etwa: "Unter den Dachziegeln eines jeden Hauses brüteten die Hornissenlarven und der Krieg." Es enthält einige erwähnenswerte Reflexionen, etwa über die in Mordlust umschlagende Hilfsbereitschaft. Viel mehr Positives ist über "Die Fahrt im Einbaum oder das Stück zum Film vom Krieg" leider nicht zu sagen. Freilich: Brüten Larven und der Krieg - oder werden sie ausgebrütet? Aber so streng wollen wir nicht sein. Andererseits hätte eine solche Metapher auch jedem besseren Leitartikler einfallen können. Das gilt freilich für vieles, was der notorisch überschätzte Handke schreibt, und sein jüngstes Opus ist ohnehin streckenweise ein aus dem Leim gegangener, aufgeblähter Leitartikel.

Leitartikelhaft ist der sonst für Handke nicht gerade typische Versuch, allzu offensichtliche Einseitigkeit zu vermeiden, oder so zu tun, als würde er es versuchen; leitartikelhaft - im schlechten Sinne, denn es werden schließlich auch kluge Leitartikel geschrieben - ist auch die Simplizität des Handke'schen Denkens. Mit seiner Unfähigkeit, zu differenzieren, hat er sich in die einseitige Parteinahme für Serbien hineingeritten. Rechthaberei, extreme Aggressivität, der Unwillen, auf fremde Standpunkte einzugehen und rüpelhaftes Benehmen haben Handkes Renommee beschädigt.

Offenbar hat er das sogar schon selbst bemerkt. "Die Fahrt im Einbaum" liest sich wie ein verspäteter Versuch, zu beweisen, daß er doch differenzieren kann. Doch der Erkenntnisgewinn bleibt hinter dem der besseren Leitartikel zurück, und als Theaterstück ist der Text ein Flop. Zwei Regisseure lassen die möglichen Figuren eines möglichen Films über den zehn Jahre zurückliegenden Krieg in Jugoslawien Revue passieren - um ihn dann doch nicht zu drehen. Das Stück ist bis zur Pause so langweilig, trocken und phrasenhaft, daß die folgende Erholung geradezu als Erlösung empfunden wird. Es gibt dann immerhin einige intensive Momente. Allerdings schwenkt Handke alsbald auf eine eher primitive Naturmystik ein: Zurück in die Wälder, zurück zu den Müttern, zurück zu den Quellen, egal wohin, nur weg aus dem so schwierigen, schwer verständlichen Heute.

Einige Kritiker waren der Meinung, eine einfallsreichere Regie hätte Handkes Einbaum vielleicht flott machen können. Man muß Regisseur Claus Peymann in diesem Fall verteidigen. Er tat, was gerade bei einer Uraufführung jedem Autor zusteht: Er hat die - leider bescheidenen - Möglichkeiten des Textes wo immer möglich genutzt, ihn aber nicht vergewaltigt. Er hat Handke sorgfältig wie einen Klassiker aufs Wort hin inszeniert. Daß dies zu einer unbarmherzigen Ausstellung der Schwächen eines hauptsächlich aus Schwächen bestehenden Stückes geriet, ist Handke und nicht der Regie anzulasten. Wenn wir den Willen für die Tat nehmen wollen, ist dieses Stück ein Wut- und Schmerzensschrei gegen den Krieg. Aber deswegen ist es noch kein Stück.

Die Visualisierung des Entsetzens gelingt Bühnenbildner Karl-Ernst Herrmann mit der Landschaft als Friedhof im Bühnenhintergrund. Martin Schwab als amerikanischer und Robert Hunger-Bühler als spanischer Filmregisseur, Therese Affolter, Bernd Birkhahn, Peter Fitz, Roman Kaminski, Johann Adam Oest, Ernst Stötzner und alle anderen gewinnen Eindringlichkeit, wo es der Text zuläßt, bleiben aber weit hinter ihren Möglichkeiten zurück.

Handkes Lebensgefährtin Sophie Semin soll als "Fellfrau" wohl Fremdheit ausstrahlen, wirkt aber eher als Fremdkörper.

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