Im Endlos-Reigen der Torturen

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Regisseurin Angelina Jolie verfilmt das Schicksal eines US-Soldaten im Zweiten Weltkrieg: Das gäbe Stoff für eine Geschichte über die Menschlichkeit - das Potenzial dieser Biografie bleibt aber ungenutzt.

Zwei Stunden und 17 Minuten dauert es, bis in Angelina Jolies neuem Film "Unbroken“ der Abspann läuft. Dann erst offenbart sich, was sie aus der Geschichte des Athleten Louis "Lou“ Silvie Zamperini hätte machen können, hätte sie sich auf sein Leben nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs konzentriert. Dabei adaptierte ein namhaftes Team die von Laura Hillenbrand verfasste Biografie über den italienisch-stämmigen US-Amerikaner Zamperini, der 1936 als Marathonläufer bei den Olympischen Sommerspielen in Berlin teilnahm und 1943 als Air Force-Soldat in einem B-24 Bomber über dem Pazifik abstürzte.

Doch die für das Drehbuch zugezogenen Brüder Joel und Ethan Coen destillierten gemeinsam mit Richard LaGravenese und William Nicholson wenig Essenzielles aus den 75 Interviews, die Hillenbrand über acht Jahre mit Zamperini geführt hatte. Zamperini, der Pilot und ein weiterer Kamerad überlebten den Absturz. Sie trieben dann in zwei Rettungsbooten 47 Tage lang auf offener See. Dieses einschneidende Erlebnis ließ Zamperini gottesfürchtig werden: So zumindest inszeniert es Jolie als Wendepunkt in einer von Hai-Attacken und feindlichen Fliegerangriffen gespickten Sequenz. Als einer der drei am 33. Tag stirbt, schlägt Zamperini Gott einen Handel vor: "Lässt du mich das hier überleben, werde ich immer an dich glauben.“ Gott aber ist - offensichtlich - nicht so leicht zu beeindrucken, denn als die zwei Überlebenden schließlich aus dem Meer gefischt werden, geschieht das durch die Hände der Japaner.

Überhöhte Darstellung

Zamperini wird in eines der japanischen Arbeitslager gebracht: zuerst nach Omori in Tokyo und kurz vor Kriegsende nach Naoetsu. In beiden Camps hat er es mit dem sadistischen Aufseher Mutsuhoiro Watanabe zu tun (gespielt vom japanischen Sänger Miyavi), der ihn vermutlich deshalb für brutale Bestrafungen "auserwählt“, weil er sich ihm (dem Athleten, der er selbst gern wäre) am ebenbürtigsten sieht - oder auch weil er ihm homoerotisch zugeneigt ist. Anders als in den vielen Flashbacks, auf die Jolie anfangs zurückgreift, um Anknüpfungspunkte zu bieten, nimmt sich ihr Blick nun reduzierter und minimalistischer aus, nicht mehr so kitschig und sepia-farbene Immigranten-Klischees glorifizierend. Dennoch fällt sie der Versuchung anheim, Zamperini als so etwas wie eine Christus-Figur des 20. Jahrhunderts zu inszenieren. Eine Klimax dessen zeigt sich in einer Szene, in der Watanabe den stark geschwächten Zamperini herausfordert, schier endlos einen Holzbalken waagrecht über seinen Schultern zu halten.

Auch in ihrem Regiedebüt "In the Land of Blood and Honey“ (2011) hatte Jolie die Entmenschlichung durch den Krieg interessiert, damals im Bosnien-Herzegovina-Konflikt. Auch in "Unbroken“ will sie den Blick auf die widrigen Umstände lenken, auf die unfassbaren Umstände, unter denen die Menschen zu leiden hatten. Aber (wieder) verschwindet jegliche Relevanz hinter ihrer konventionellen, wenig subtilen und seltsam sauberen Inszenierung. Dass Zamperini nach seinem Lauf 1936 Hitler die Hand schüttelte, lässt sie ganz weg, und die Hakenkreuz-Fahnen wehen im Stadion nur am äußersten Bildrand. Das wird vor allem Zamperini nicht gerecht, der - tatsächlich Humanist - nach dem Krieg die Versöhnung suchte und im Alter von 80 Jahren einen Marathon in Japan lief. Das wäre Potenzial, das man zum Thema Menschlichkeit und Vergebung hätte nutzen können. Hat man aber nicht. Zamperini starb übrigens 2014 an den Komplikationen einer Lungenentzündung, mit 97 Jahren.

Unbroken

USA, 2014. Regie: Angelina Jolie. Mit Jack O’Connell, Domhall Gleeson, Garrett Hedlund. Universal. 137 Min.

Kritik zu "Timbuktu“: Seite 5 dieser FURCHE.

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