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Tanz, Lesung, Komposition und Ausstellung im Grazer Kulturzentrum bei den Minoriten.

Aschermittwoch, der Tag der Nachdenklichkeit schlechthin. Seit langem im katholischen Feld eingeführt als ein Tag auch der künstlerischen Nachdenklichkeit - im Wort, im Bild, im Ton, in der Bewegung. Das Grazer Kulturzentrum bei den Minoriten fühlt sich seit Jahren dieser Tradition verpflichtet, und ebenso lange motiviert das dort Präsentierte dazu, diese Nachdenklichkeit so richtig auszukosten. Heuer lud dazu ein Crossover aus Tanz, Lesung, Komposition und Ausstellung ein, wobei das übergreifende Motiv Schatten hieß. In der Ausstellung kann man auch noch weiterhin dem eigenen Schatten, wie er von vier Künstlern vorgestellt wird, begegnen.

Eigenem und fremdem …

Die Apophtegmata Patrum Aegyptiorum berichten in einer Legende die Begegnung vom Wüstenvater Antonius mit seinem Schatten. Antonius bespricht mit Gott, dass er eigentlich gerettet werden möchte, dass er aber nicht wisse, wie dies geschehen könne. Die Antwort gab ihm sein Doppelgänger, denn Antonius "sah einen, der ihm glich. Er saß da und arbeitete, stand dann von der Arbeit auf und betete, setzte sich wieder und flocht an einem Seil, erhob sich dann abermals zum Beten; und siehe, es war ein Engel des Herrn, der gesandt war, Antonius Belehrung und Sicherheit zu geben." In der frommen Geschichte ist das Alter Ego des Heiligen ein bereits zum Engel übergegangener Schatten. Nicht jedermann kann von sich behaupten, einen dermaßen wunderbaren Partner für seine Selbstgespräche zu haben.

In der analytischen Psychologie, bei C. G. Jung etwa, steht der Schatten als Gegenspieler der Person da, als Auffangbecken für die unerwünschten Züge tritt er als Fremder oder als Rivale auf . Die Integration dieses Schattens in die Gesamtpersönlichkeit ist eine der Hauptaufgaben der menschlichen Entwicklung. Ein schwieriges Unterfangen - und immer, wenn es um den anstrengenden Lebensvollzug geht, ist die Kunst zur Stelle.

In der Videoarbeit zum Heiligen Antonius zeigt der in Wien lebende Bildhauer Kurt Straznicky den Entstehungsprozess der von ihm ausgestellten Köpfe. Es sind Kuben aus Kunstharz, die mit einer Kopfform ausgehöhlt sind. Büsten in Negativform, Hohlköpfe, leere Schatten, die ihr Spiel mit der Materie treiben. Formen, die sich den Augen, unseren Organen der Distanz, zu erkennen geben, die sich aber unserer Berührung entziehen. Der Kunstharzblock schützt sie vor unserem Zugriff, ähnlich wie wir den Schatten nicht ausleuchten können, um ihn besser sehen zu können.

Das Schimpfwort vom Hohlkopf wäre aber, wenn überhaupt, nur für eine Bronzebüste berechtigt. Die Köpfe von Kurt Straznicky verweigern eine plumpe Festigkeit, sie bestehen aus Luft, wir könnten durch sie hindurchgreifen, wenn sie nicht vom Harz so gut geschützt wären. Als Materialschatten sind sie im Vergleich zu einer "festen Skulptur" die wahren Platzhalter für jenen Kopf, deren Schatten sie sind. In ihrer Höhlung geben sie tatsächlich als Schatten den Raum frei für das Antlitz, für die Person. Dadurch kippt auch der uneinholbare Abstand zwischen der Person und ihrem Schatten - wer hätte es schon jemals geschafft, über den eigenen Schatten zu springen? - in die heftigste Unmittelbarkeit. Der Schatten stülpt sich zurück auf die Person, die faktisch vorgestellte "Nähe als Distanz" schmiegt sich an unser Menschenbild.

… Schatten begegnen

Die Fotografien von Eric Aupol zeigen passbildartig Migranten, als Aufmerksamkeit erregender Störfaktor blendet das Gegenlicht, in dem die Personen aufgenommen sind - beinahe wie ein verfrühter Heiligenschein. Adam Fuss transponiert in seinen Fotografien, die normalerweise die Festigkeit des Dargestellten suggerieren, diese in "Geister", die transparent oder in ungewohnter Farbigkeit in Erscheinung treten. Christian Eisenberger setzte dem Prunkluster im Stiegenhaus einen "Lichtschatten" aus Neonröhren, Pappe und Klebeband an die Seite, das Licht kennt keine Einteilung in preziös und gewöhnlich. Ein Aschermittwoch, der nicht mehr nachdenklich ist, sondern der durchaus im Sinne des Heiligen Antonius nach vorne zu denken gibt.

Schatten

Ein Crossover der Künstler

Minoriten Kultur

Mariahilferplatz 3/II, 8020 Graz

Tel. 0316/711133

www.minoritenkulturgraz.at

Bis 5. 4. Mo-Fr 10-18 Uhr

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