Im Schatten des Jugendstilbooms

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Nach Albertina, Liechtenstein Museum und Belvedere widmet sich nun auch das Wien Museum der „Malerei des Biedermeier“. Die Ausstellung zeigt die wichtigen Bildthemen der Epoche wie Landschaft, Blumen, Interieur, Porträt und Genreszenen.

Biedermeierkunst erfreut sich größter Beliebtheit. Bereits seit geraumer Zeit, wie Ausstellungen der letzten Jahre zeigen. Nach Albertina, Liechtenstein Museum und Belvedere widmet sich nun auch das Wien Museum parallel zur noch laufenden Waldmüller-Schau im Unteren Belvedere jener Epoche, die lange im Schatten des Jugendstilbooms stand und ungerechterweise als spießbürgerlich, weltabgewandt und vergangenheitsorientiert abgewertet wurde. Dass die Kunst des Biedermeier alles andere als unpolitisch war, wird gleich zu Beginn des Rundgangs an Josef Danhausers „Hundekomödie“ (1841) sichtbar. Auf dem Bild zerbeißen aggressive Hunde die Werke eines schlafenden Künstlers. Danhausers Zeitgenossen wussten genau, wen die Hunde darstellen sollten, denn sie tragen unverkennbar die Gesichter hoher Beamter der damaligen Metternich’schen Zensur-Behörde.

Parodie auf das Spießbürgertum

Ursprünglich war die Bezeichnung Biedermeier spöttisch gemeint. Als Parodie auf das Spießbürgertum. „Gottlieb Biedermeier“ war eine in den 1850er Jahren für die satirischen Münchner Blätter erfundene Kunstfigur in Form eines einfältigen Dorflehrers, für den sein bescheidenes Leben das höchste Glück bedeutete. Der Name wurde aus zwei Gedichtstiteln Joseph Victor von Scheffels zusammengesetzt: „Biedermanns Abendgemütlichkeit“ und „Bummelmaiers Klage“. Bald löste sich der Begriff von seiner ursprünglichen Bedeutung – ab den 1910er Jahren verwendete man Biedermeier als Stilbezeichnung für Möbel, Mode und die Malerei dieser Epoche.

Die Schau mit dem unspektakulären Titel „Malerei des Biedermeier“ kommt reichlich spät, könnte man meinen. Überflüssig ist sie deswegen keineswegs. Denn das Wien Museum besitzt einen ausgezeichneten Bestand an Biedermeier-Exponaten, sowohl Kunsthandwerk als auch Malerei. Begonnen hatte alles 1894 mit einer großzügigen Schenkung des Fürsten Johann II. von Liechtenstein. Dass der Biedermeierbestand ständig erweitert wird, will Direktor Wolfgang Kos mit der Präsentation einer der schönsten Neuerwerbungen der letzten Jahre belegen. Im ersten Raum – schräg gegenüber von Danhausers „Hundekomödie“ – hängt „Junges Mädchen am Fenster mit Blumenstöcken“ (1849). Ein sensibles Frauenporträt, gemalt von einer der wenigen Biedermeier-Malerinnen, der Waldmüller-Schülerin Rosalia Amon.

Die von Architekt Christian Sturminger angenehm schlicht gestaltete Präsentation konzentriert sich auf die wichtigsten Bildthemen des Biedermeier wie Landschaft, Blumen, Interieur, Porträt und Genreszenen. Gelungen ist dabei die Gegenüberstellung von Gemälden, Papierarbeiten und kunstgewerblichen Objekten. Beim Gang durch die in Themen wie „Hinaus in die Landschaft“ oder „Alltag im Bild“ untergliederten Räume finden sich Überraschungen, die zeigen, dass das Biedermeier der Gegenwart in vielem näher ist als so manch andere Epoche.

Sozialkritische Highlights

In Erinnerung bleiben die nahezu ins Abstrakte gehende „Mondlandschaft mit bewölktem Himmel“ (1840) des malenden Schriftstellers Adalbert Stifter oder Friederich August Gauermanns „Wolkenstudie“ (1842). Franz Xaver Grubers Blumenstudien weisen in ihrem dokumentarischen Charakter große Verwandtschaft zu Tendenzen in der zeitgenössischen Kunstproduktion auf, die sich an der Grenze zwischen wissenschaftlicher Recherche und künstlerischer Praxis bewegen. Immer wieder faszinieren auch der fotografische Blick und die im Bild aufgebaute Spannung. So lässt Josef Danhauser in seinem Doppelporträt des „Astronoms Carl Ludwig Edler von Litrow & seine Frau Auguste“ (1841) die Dargestellten nicht frontal aus dem Bild blicken wie üblich, sondern diagonal auf ein Geschehen außerhalb des Bildes, was eine geheimnisvolle Atmosphäre erzeugt.

Auch sozialkritische Highlights wie Peter Fendis „Brezelbub“ (1828) fehlen nicht. Ein Bild, das darauf hinweist, wie selbstverständlich Kinderarbeit früher war, und das in spannungsvollem Kontrast zu Josef Danhausers „Das Kind und seine Welt“ (1842) steht, auf dem ein wohlbehütetes Kind zu sehen ist, das ganz in seinen Phantasiekosmos versunken ist.

Vergeblich sucht man einen Katalog oder eine Broschüre. Eine solche ist gerade im Entstehen. Eine größere Publikation zum Biedermeierbestand des Wien Museums wird erst im Laufe der nächsten Jahre erscheinen, so Kurator Ralph Gleis.

Malerei des Biedermeier

Wien Museum, Karlsplatz, 1040 Wien

bis 17. Jän. 2010, Di–So u. Ft. 9–18 Uhr

Schön Bieder? Das Biedermeier aus heutiger Perspektive

28. Okt., 18.30 Uhr, Wien Museum Diskussion mit: Hans Ottomeyer (Dt. Hist. Museum), Maria Luise Sternath-Schuppanz (Albertina), Sabine Grabner (Belvedere), Elke Doppler (Wien Museum), Herbert Giese (Kunsthandel Giese & Schwaiger), Michael Kovacek (Kinsky Kunst Auktionen). Eintritt frei.

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