Im Stil der alten Meister

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Kopisten - die Außenseiter der bildenden Kunst.

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Kopisten - die Außenseiter der bildenden Kunst.

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Die ausgefeilte Komposition eines angeschnittenen Kürbis und eines verschrumpelten Apfels ist die erste Einstellung im Film "Heimkehr der Jäger": Es ist das barocke Früchtestilleben von Juan Sanchez-Cotan, dem sich Ulrich Tukur in seiner Rolle als Kopist im Kunsthistorischen Museum widmet. Das Original hängt in San Diego. Daniel Friedemann, der Sohn des Malers Ernst Fuchs hat die Kopie für den Film gemacht. Er beherrscht die hohe Kunst des exakten Blicks und des feinen Pinselstrichs wie kein zweiter.

Bis zur Perfektion präzisiert hat er sein Handwerk vor den Originalen stehend im Kunsthistorischen Museum. Trotzdem distanziert er sich: "Ich bin kein Kopist, ich habe nur studienhalber ein paar Kopien gemacht." Geld verdient er damit nicht, das Auftragswerk für den Film war seit langem endlich wieder eine Einnahmequelle für den Maler, der dem Klischee des verarmten Künstlers ziemlich genau entspricht.

An die fünf Monate Arbeit hat es ihn gekostet, die täuschend ähnliche Kopie herzustellen, dabei hatte er nicht einmal das Original als Vorlage. "Das mach ich nie wieder, von einer Verkleinerung weg zu kopieren." Sein Lebenstraum wäre es, im Prado eine Kopiererlaubnis für Velazquez zu bekommen, doch dieser Gipfel des malerischen Olymp scheint momentan sehr fern. Im Atelier stapeln sich wahllos nackte Frauen, Landschaften, Aquarelle, Gipsköpfe und Selbstporträts aus offensichtlich besseren Zeiten. Das Kopieren für Studienzwecke gehört für Friedemann zum Handwerk, Einnahmequelle ist es nicht. Zur Zeit müht er sich ab, den Installateur dazu zu überreden, für eine Reparatur ein Bild statt Geld in Bezahlung zu nehmen.

"Ich bin Pensionistin, Autodidaktin und mache das aus Freude am Malen", meint eine Dame im weißen Arbeitsmantel, die nicht genannt werden will. Sie sitzt im Kunsthistorischen Museum vor ihrer Staffelei und unterhält sich mit einem befreundeten Aufseher über ihre Kopie des "Feuers" von Giuseppe Arcimboldo. nach eigenen Angaben malt sie, seit sie auf der Welt ist; nachdem sie ihre Kreativität von Puppengewändern über Seidenmalerei bis zum Kopieren von Plakaten geübt hatte, wagte sie vor zehn Jahren den Gang ins Museum zu den Originalen. Sie legte drei Arbeiten vor, die ihr genaues Auge bewiesen, suchte um Kopiererlaubnis an, bekam sie. Verkauft wird nichts, auch wenn sie schon darauf angesprochen wurde. Besondere Hemmschwellen oder Vorlieben kennt sie keine: sie kann sich vorstellen, jedes Bild zu kopieren. Gelernt hat sie einiges von den durchschnittlich fünf Kollegen, die auch eine Kopiererlaubnis im Kunsthistorischen Museum haben.

Alle Kopisten sind verpflichtet, im Format vom Original abzuweichen. Die Fälschungsgefahr, beliebtes Sujet filmischer Kriminalkomödien, ist auch aus anderen Gründen sehr gering. "Ich bin selten einer Kopie begegnet, die so gut war, dass man sie mit dem Original hätte verwechseln können", sagt Karl Schütz, Direktor der Gemäldegalerie, der die Kopiererlaubnis vergibt. Er überprüft die malerischen Fertigkeiten der kopierwilligen Anwärter anhand mitgebrachter Arbeiten, dann entscheidet er.

Die meisten, die kommen, sind Autodidakten, sehr beliebt sind Niederländer und Blumenbilder. "Ob es Auftraggeber gibt, weiß ich nicht. Da mische ich mich nicht ein. Jedenfalls ist eine Kopie ein extrem schmales Nischenprodukt", kann sich Schütz das Kopieren als wirkliche Verdienstquelle nicht vorstellen. "Unsere Stammmannschaft sind vier oder fünf Personen, manchmal auch Ausländer auf der Durchreise. Wer eine Kopiererlaubnis hat, kann jeden Tag kommen," so Schütz. "Größe, Schwierigkeit und Umfang sollten in absehbarer Zeit zu bewältigen sein", erinnert er sich mit leisem Grauen an einen Japaner, der zwei Jahre lang einen Vermeer kopierte.

Kunst nach Wunsch Die Hochblüte der Kopierkunst ist vorbei: Zwischen 1890 und 1930 weist die Museumsstatistik Jahre auf, in denen bis zu 200 Kopien gefertigt wurden. Heute sind es zwischen 15 und 20, die vor allem aus Liebhaberei gemalt werden. Interesse an den Kopien besteht vom Museum aus keine, nur in Schönbrunn wurden zwei zerstörte Bilder durch Kopien ersetzt. Schütz: "Als Ersatz für das Original eignen sich die Kopien nicht."

"Ich kann von der Malerei leben", freut sich Susi Albrecht. Sie wohnt im niederösterreichischen Altenburg und hat sieben Jahre in verschiedensten Bereichen der Werbung gearbeitet, ehe sie in der Kopierkunst ihre wahre Berufung entdeckte. Schon als Kind wollte sie immer zeichnen, dann nahm sie Unterricht in altmeisterlicher Maltechnik. Wassilij Kandinsky, Edvard Munch, Caspar David Friedrich und holländische Stilleben zählen zu ihren Lieblingssujets, Caravaggios Lichtführung schätzt sie über alle Maßen. In erster Linie aber zählt der Wunsch des Kunden, der bei ihr eine Kopie bestellt.

Holländische Meister, Kaiser Franz Josef und Sisi, "Der glücklichste Tag in meinem Leben": Sujets dieser Art zählen zu Susi Albrechts Bestsellern. Um Aufträge muss sich die vierfache Mutter keine Sorgen mehr machen. Mit ihrer "Kunst nach Wunsch" hat sie eine Marktlücke gefunden, die klassische Kopisten nie füllen könnten.

Susi Albrecht arbeitet nicht vom Original in einem Museum, dafür stapeln sich Kunstbildbände in ihrem Atelier. Weil aber die Reproduktionen farblich nie den Ton des Originals treffen, darf der Kunde bei der endgültigen Farbgebung des Werkes mitreden. Sie ist durchaus bereit, auch andere Sonderwünsche einzuarbeiten. Die Originalhunde eines Kunden in biedermeierlicher Manier darzustellen, ist ein durchaus innovativer Ansatz, Kopien mit individuellem Touch anzufertigen.

Sternstunden erlebt sie dann, wenn sie jemandem einen Lebenstraum erfüllen kann. "Ein Kunde ist durch Russland gereist und war dort in einer Galerie von zwei Bildern so begeistert, dass er die unbedingt zu Hause haben wollte", schildert sie einen ihrer schönsten Auftragsarbeiten. "Christus erscheint dem Volke" von Alexander A. Iwanov und "Die Bojarin Morosowa" von Wassili I. Surikow, die in Wirklichkeit einige Meter breit und drei Meter hoch sind, kopierte sie ins handlichere wohnungstaugliche Format. Nun hat er seinen Lebenstraum an der Wand hängen und freut sich dran.

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