Im Sucher die Revolution

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Alberto Korda machte mit einem einzigen Bild aus einem toten Guerrillero einen Mythos. Ein Porträt des kubanischen Fotografen

Das Konterfei des Revolutionärs ziert Fahnen, T-Shirts und Plakate, es prangt meterhoch an der Fassade des kubanischen Innenministeriums am "Platz der Revolution" in Havanna und gilt als das meist reproduzierte Foto der Geschichte. Damit ist es aber auch das meistgestohlene Bild. Denn der Fotograf, Alberto Díaz Gutiérres, genannt Korda, hat nie einen einzigen Cent dafür gesehen, ein anderer wurde reich mit dem Porträt von Ernesto "Che" Guevara, das 1960 bei einer Trauerfeier für die Opfer eines Tankeranschlages im Hafen von Havanna aufgenommen wurde.

Die kubanische Zeitung "Revolución", für die Korda zum damaligen Zeitpunkt arbeitet, ist an dem Bild nicht interessiert. Korda gefällt jedoch der zornige, kämpferische Blick des Commandante, der ihm schon im Moment der Aufnahme "unter die Haut gegangen" sei, wie er später erzählen wird. Er hängt das Bild in seinem Studio an die Wand. Dort ist es auch sieben Jahre später noch, als ihn der italienische Verleger Giangiacomo Feltrinelli auf der Suche nach einem Guevara-Foto besucht. Der Italiener zeigt sich begeistert von der Aufnahme, Korda schenkt ihm deshalb zwei Abzüge. Was der linksradikale Feltrinelli, der 1972 auf mysteriöse Umstände (wahrscheinlich bei einem missglückten Bombenanschlag auf eine Hochspannungsleitung bei Mailand) ums Leben kommen wird, damit vorhat, soll sich erst später zeigen. Der Verleger ist zu der Zeit in Europa jedenfalls längst kein Unbekannter mehr: Schon einmal, im Jahr 1957, hatte er Gespür für ein gutes Geschäft bewiesen und Boris Pasternaks Manuskript zu "Doktor Schiwago" aus der Sowjetunion geschmuggelt.

Ein Bild, ein Mythos

Als Guevara 1967 in Bolivien erschossen wird, lässt Feltrinelli das Porträt auf Plakate drucken und verkauft binnen kürzester Zeit zwei Millionen Stück. Korda wird nicht einmal als Urheber des Fotos genannt. Bald gibt es keine linksgerichtete Demonstration mehr, auf der nicht Poster, Fahnen und T-Shirts mit dem Bild von Che Guevara zu sehen sind.

Korda soll es angeblich egal gewesen sein, dass das Foto ohne seine Genehmigung millionenfach reproduziert und verkauft wurde. "Als Verfechter der Ideale, für die Che Guevara gestorben ist", wird er zitiert, "habe ich nichts gegen die Reproduktion durch die, die seine Erinnerung und seine Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit verbreiten."

Dass das Bild im Jahr 2000 aber für Wodka-Werbung herhalten sollte, war ihm dann doch zuviel: Das habe nichts mehr mit den Ideen und Gedanken des Abgebildeten zu tun. Er, der nie Alkohol getrunken und den Kapitalismus abgelehnt hatte, solle nicht für eine solche Reklame missbraucht werden. Nach einer außergerichtlichen Einigung erhielt Korda 50.000 US-Dollar. Das Geld stiftete er dem kubanischen Gesundheitssystem.

Begonnen hat der im Jahr 1928 geborene Fotograf seine Karriere aber auf einem gänzlich unpolitischen Gebiet: Erst betätigte er sich in Havanna als Hochzeitsfotograf , später erhielt er eine Anstellung als Modefotograf bei einer Zeitung. Bald machte er sich damit einen Namen, und sein Studio wurde zum Treffpunkt der schönen Frauen Kubas, denen er, so heißt es, auch privat nie abgeneigt gewesen sein soll. Aber das alles war vor der Revolution 1959, in der Fidel Castro Ruz, Ernesto Che Guevara und die anderen "barbudos" ("die Bärtigen") das Land von Diktator Fulgencio Batista befreit und selbst die Macht übernommen hatten. Korda war ein glühender Verfechter dieses Umbruchs. Er selbst schrieb darüber: "Ich hatte mich auf ein lockeres Leben eingerichtet, als einige Zeit vor meinem dreißigsten Geburtstag ein außerordentliches Ereignis mein Leben veränderte: die Revolution. In dieser Zeit habe ich ein Foto eines kleinen Mädchens gemacht, das ein Stück Holz umarmt, weil es keine Puppe hat, die es an sich drücken kann. Ich erkannte, dass es sich lohnte, seine Arbeit einer Revolution zu widmen, die sich die Abschaffung der Ungleichheit zum Ziel setzte."

Die Kamera überall dabei

Fotografierte er anfangs noch die Vorgänge der kubanischen Revolution, wurde er bald zum persönlichen Fotografen Castros, den er auch auf seinen Reisen begleitete. Auf diese Weise konnte er nicht nur den Schriftsteller Ernest Hemingway ablichten. Korda und seine Kamera waren auch dabei, als Guevara Castro das Golfspielen beibrachte und als Castro das erste Mal versuchte Schi zu fahren. Er machte Bilder von Nikita Chruschtschow und dessen Familie und begleitete den begeisterten Taucher Castro bei seinem Unterwasser-Hobby.

Als 1968 Kordas Studio im Rahmen der "revolutionären Offensive" verstaatlicht wurde, übernahm er die Leitung der Fotoabteilung des Ozeanografischen Institutes von Kuba und dokumentierte zwölf Jahre lang die Unterwasserwelt der karibischen Inseln.

Erst in den achtziger Jahren kehrte er zu seiner ursprünglichen Leidenschaft, der Mode- und Werbefotografie, zurück. Bald wurden seine Bilder in ganz Europa, in Süd- und sogar in Nordamerika gezeigt.

Seinen Idealen der Revolution soll der Fotograf bis zu seinem Tod im Mai 2001 treu geblieben sein - auch wenn die kubanische Realität mit diesen Vorstellungen nicht viel gemeinsam hat.

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