Im Tandem Sorge tragen und reparieren

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Im Rahmen der Vienna Biennale 2017 starteten Angelika Fitz und Elke Krasny das Projekt "Care + Repair". Bis 31. Juli wird die Nordbahn-Halle am Wiener Nordbahnhof zum öffentlichen Arbeitsraum für einen neuen, verantwortungsvollen und gemeinschaftlichen Urbanismus.

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Im Rahmen der Vienna Biennale 2017 starteten Angelika Fitz und Elke Krasny das Projekt "Care + Repair". Bis 31. Juli wird die Nordbahn-Halle am Wiener Nordbahnhof zum öffentlichen Arbeitsraum für einen neuen, verantwortungsvollen und gemeinschaftlichen Urbanismus.

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Das Areal um die Nordbahn-Halle liegt im toten Winkel der Wahrnehmung von Wien. Dabei zählt es zu einem der bedeutendsten innerstädtischen Wachstumsgebiete. Einen Steinwurf von den Wohnblöcken und dem Campus Gertrude Fröhlich-Sandner entfernt, die sich um den Rudolf-Bednar-Park in der Leopoldstadt gruppieren, gedeiht hier eine Stadtbrache. Vor der Kulisse vollwärmegedämmter Lochfassaden in Variationen herrscht die weltentrückte Atmosphäre eines natürlichen Dickichts, durchzogen von den Relikten industrieller Infrastruktur. Hier ragen Baumriesen aus hohem Gras, nisten Vögel, leben Echsen, Kröten und eroberten sich Menschen versteckte Nischen. 2012 wurde ein städtebaulicher Ideenwettbewerb für diesen Teilbereich des Nordbahnhofs ausgeschrieben, bei dem das Projekt von STUDIOVLAY (Bernd Vlay &Lina Streeruwitz), Traffix Verkehrsplanung und Agence Ter Landschaftsplanung siegte: Es sieht vor, die Stadtbrache als hybride Landschaft im Herzen des Areals zu belassen, was nur durch eine sehr dichte Bebauung der Ränder möglich ist und zum Leitbild "Freie Mitte -Vielseitiger Rand" entwickelt wurde. STUDIOVLAY betrachtet seinen Freiraum als offen für Veränderung.

Alle eingebunden

Hier setzt das Projekt "Care + Repair" des Architekturzentrum Wien an, das AzW-Direktorin Angelika Fitz und Elke Krasny im Rahmen der Vienna Biennale 2017 kuratierten. Sie wollen aus der Haltung eines aktiven Sorgetragens und Reparierens eine zeitgenössische Care+Repair-Perspektive in Architektur und Urbanismus entwickeln, die alle einbindet. Dafür verwandelten 30 Studierende des design.build Studio von Peter Fattinger an der TU Wien die Nordbahn-Halle mit viel Einsatz zum öffentlichen Arbeitsraum: Sechseckige, mobile Sitzmöbel, gläserne Schiebetüren und multifunktional upgecycelte Regale aus Schwarzstahl bieten ein atmosphärisches Setting für Ausstellungen, Workshops und Diskussionen, das täglich offen war.

Sechs internationale Teams von Architekturschaffenden mit unorthodoxen Ansätzen wurden eingeladen, im Tandem mit lokalen Initiativen und Expertinnen Vorschläge für Care +Repair-Prototypen zu entwickeln. Eröffnet wurde der Reigen an Aktivitäten mit einer von Alexander Ach Schuh gestalteten Ausstellung zu den sechs Büros: So präsentierte das Brüsseler Team Rotor seine Gestaltung der Gleisanlagen Spoor Oost. Durch die kluge Umschichtung von Parkplätzen und ähnliche Strategien gelang es ihnen, um ein minimales Kunst-am-Bau-Budget einen riesigen Park, Sportplätze und andere qualitätsvolle Freiräume zu schaffen. Am Nordbahnhof arbeiteten Rotor im Tandem mit Brigitte Felderer, die an der Angewandten Social Design lehrt. "Wir haben genau untersucht, was sich in der Umgebung befindet", erklärt Renaud Haerlingen von Rotor ihr Projekt "In situ -Limbo" -"Lost and found." Das Team zog mit Kreide die Grenzlinie der "freien Mitte" vor Ort nach und machte so sichtbar, was zum Abbruch vorgesehen ist. Außerdem recherchierte es Firmen aus, die recycelte Materialien anbieten. Rotor schlägt vor, diese in den geplanten Neubauten zu verwenden und auch die zum Abbruch bestimmten Gebäude als Reservoir für Baumaterial zu nutzen. Diese Praxis würde den ökologischen Fußabdruck der Neubauten stark verbessern und ihnen Atmosphäre geben.

Zissis Kotionis und Phoebe Giannisi von der Universität von Thessalien in Volos betreiben Solidaritätsurbanismus. An der archäologischen Stätte von Platons Akademie in Athen luden sie alle - darunter viele Flüchtlinge und Roma -zur Performance "Nothing to Do With Dionysos", bei der kollektiv rituell Wein gemacht, gegessen und getrunken wurde. Am Nordbahnhof stellten sie mit dem Vogelforscher Martin Riesing an ausgesuchten Orten Nistkästen für Vögel auf. GABU Heindl Architektur aus Wien, die in Plovdiv in Bulgarien ein ausgetrocknetes Schwimmbad mit den dortigen Menschen zum Park gemacht hatte, legte mit Can Gülcü am Nordbahnhofareal Gemeinschaftsbeete mit und für Bewohner des Integrationshauses an. Wie es weitergeht, ist am 30. Juli vor Ort bei "Care + Repair" zu erfahren.

Nordbahn-Halle am Wasserturm

Täglich 14 -22 Uhr, www.azw.at

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