Im Visier der Werbung

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Wer Kunden für sein Produkt gewinnen will, der muss auch sprachlich darauf aufmerksam machen. Bei kommerziellen Unternehmen spricht man in solchen Fällen nicht von Propaganda, sondern von Reklame. Gerade bei dieser genügt es nicht, das vertraute Alltagsvokabular zu verwenden. Im Gegenteil, es sind zumeist Neuwörter, die gleichsam gegen den Strich gebürstet sind, an denen sich der Leser oder Hörer reibt. Denn unerwartete Formen zwingen den Adressaten zur Auseinandersetzung mit dem verbalen Angebot und damit zwangsläufig auch mit der beworbenen Sache.

Diese Erkenntnis wurzelt in einer wichtigen künstlerischen Strömung des 20. Jahrhunderts, im russischen Formalismus. Dessen Vertreter hatten die Devise "Kunst als Verfahren" kreiert, deren Quintessenz gerade das Sperrige, Spröde und Widerborstige des Wortmaterials hervorkehrt und den Kontrast der Neologismen zu den geläufigen Formulierungen sucht.

Die Parole frischwärts für eine Getränkemarke könnte durchaus in einem avantgardistischen Text stehen. Und die seinerzeit von "Sprachpolizisten" als ungrammatisch gerügte Werbung Wanderbares Österreich entspricht ebenso der Weckung von Aufmerksamkeit wie die bewusst unorthografische Schreibung Seenswürdigkeit.

Ein besonders beliebtes Mittel kreativer Wortschöpfung ist der Verschnitt von zwei Ausdrücken zu einem neuen Gebilde: Beispiele wie Brunch oder Kurlaub sind längst in die Alltagssprache eingedrungen. Eine Kaffeefirma hat unlängst die Sprachprodukte Nespresso und Icepresso in Umlauf gebracht. Älteren Datums ist die Textilwerbung mit Wollbehagen. Ein alternatives Wolllust hätte vielleicht eher Anstoß erregt!

In fast allen Fällen bleiben solche Gebilde verbale Eintagsfliegen. Doch Ausnahmen bestätigen die Regel: Wer würde etwa glauben, dass die jedem Autofahrer heute selbstverständlichen Fachwörter wie Fahrverhalten oder Kindersicherung aus dem Wortschatz der Werbung stammen?

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