"Immerhin sind wir alle Theater“

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Am 13. Jänner feiert das TAG (Theater an der Gumpendorfer Straße) sein fünfjähriges Bestehen. Margit Mezgolich, die künstlerische Leiterin des TAG, im Gespräch über die Theaterreform, die Positionierung ihres Hauses und die Frage, warum so wenig Frauen an der Spitze großer Bühnen stehen.

Die Furche: Sie kommen vom traditionellen Schauspiel her, haben selbst inszeniert, sind seit 2005 Co-Leiterin und seit der Spielzeit 2009/10 allein verantwortliche Intendantin des TAG. Was bedeutet diese Entwicklung für Sie persönlich?

Margit Mezgolich: Ich habe mit 17 Jahren zu spielen angefangen, mit 25 war mir das dann zu wenig, also habe ich mit Kolleginnen wie Barbara Horvath, Julia Cencig, Genia Enzelberger und Ferdinand Urbach zusammen das L.U.S.Theater gegründet, um eigene Produktionen zu entwickeln. Daneben inszenierte ich an etablierten Häusern, etwa am Landestheater Linz oder am Volkstheater Wien. Mit der Theaterreform 2004 kam die Stadt Wien auf uns zu und hat uns angeboten, das Haus der ehemaligen Gruppe 80 gemeinsam mit den Leuten des urtheater und KINETIS zu übernehmen. Obwohl wir ein kollektives Leitungsteam mit sieben Personen bildeten, ging es sehr gut, auch wenn Entscheidungsprozesse lange dauerten und die Verantwortlichkeiten naturgemäß nicht immer eindeutig waren. Nach außen hin wurde das manchmal als allzu heterogen wahrgenommen, so dass wir uns veranlasst sahen, etwas anderes zu probieren. Meine Wahl zur alleinigen künstlerischen Leiterin verlief sehr harmonisch. Ich habe diese Aufgabe weniger gesucht, vielmehr ist die Leitung des TAG mir einfach zugefallen. Der Vorteil liegt für mich darin, dass Entscheidungen schneller und unkomplizierter getroffen werden können. Allerdings ist auch die Verantwortung klar verteilt. Die Herausforderung für mich persönlich ist jedenfalls sehr groß.

Die Furche: Es gibt bei den Klein- und Mittelbühnen einige Intendantinnen. Warum leiten aber so wenig Frauen große Bühnen?

Mezgolich: Ich selbst sehe mich nicht als Intendantin, sondern als künstlerische Leiterin. Ich arbeite immer noch sehr eng im Team und muss auch von den ehemaligen Gründungsmitgliedern, die ja noch am Haus tätig sind, jedes Jahr neu bestätigt werden. Im Bereich der Klein- und Mittelbühnen sind viele Frauen führend: etwa Anna Maria Krassnigg vom Salon 5 oder Barbara Klein von KosmosTheater. Warum es Frauen kaum an die Spitze großer Häuser schaffen, kann ich nicht beantworten, auf jeden Fall sieht man: Frauen können das sehr gut.

Die Furche: Wie sehen Sie die Position des TAG innerhalb der Wiener Theaterlandschaft?

Mezgolich: Das Konzept zum TAG sah ursprünglich vor, sich vor allem auf die Arbeit mit Autoren sowie auf die Improvisation zu konzentrieren. Darüber hinaus gab es den Wunsch, tagesaktuelles Theater mit Themen für junges Publikum zu machen. Heute versteht sich das TAG als Ort für zeitgemäßes Sprechtheater. Während sich etwa das brut und das WUK vorwiegend für Performances qualifiziert haben, sehe ich - auch in meinem Selbstverständnis als "Theatermacherin“ - das TAG als eine Theaterschmiede. Wir veranstalten jedes Jahr unser Ausschreibungsprojekt WERKTAGE, wo Theatermacher/innen eigene Texte in enger Zusammenarbeit mit dem TAG-Team entwickeln und inszenieren können. Unter Theatermacher/in verstehen wir immer die Personalunion von Autor/in und Regisseur/in. Ein Beispiel für unsere besondere Form des Autorentheaters ist der junge Theatermacher Dominic Oley. Er war Teilnehmer der Werktage des TAG, hatte 2010 ein Literar-Mechana-Stipendium und wurde bereits vom Kaiserverlag unter Vertrag genommen. Bei uns bekommt er nun die Möglichkeit sein Stück "King Liar“ auch selbst zu inszenieren. Wir fördern damit einen längeren und umfassenderen Prozess. Aber: Auch wenn uns der Nachwuchs interessiert, bedeutet für uns Jugend nicht a priori Qualität. Gutes Sprechtheater - denn auch bei uns steht die Sprache im Vordergrund - mit guten Geschichten, unterhaltsam, lustvoll und spannend inszeniert: Das zählt für uns. Das bedeutet aber auch eine gewisse Entschleunigung. Dass dieses Konzept funktioniert, haben die Erfolge des vergangenen Jahres bewiesen, in dem auch diese Profilschärfung stattfand. So war "Richard 2“ mit 92,15 Prozent ausgelastet und zog wieder neues Publikum an.

Die Furche: Während zugleich Claus Peymanns "Richard II.“ am Burgtheater gastierte …

Mezgolich: Ja, als wir uns gerade für Gernot Plass’ Projekt "Richard 2“ entschieden hatten, sahen wir, dass Peymann damit ans Burgtheater kommt. Da bedeutete für uns: Jetzt erst recht! Somit gaben wir "Richard 2“ den Zusatztitel "Jetzt schauen wir mal, wer gleich noch steht“. Das Theater der so genannten Hochkultur bietet uns auch eine Art Reibungsmöglichkeit, um Sprechtheater am Puls der Zeit zu hinterfragen. Danach forschen und suchen, was Theater heute noch kann, ist bei uns ausschlaggebend.

Die Furche: Daneben haben Sie aber viele Gastproduktionen, die "OFFenen Fenster“. Wie geht das zusammen?

Mezgolich: Als wir anfingen, war die Spielortsituation noch eine andere. Viele freie Gruppen suchten Standorte, und wir boten der freien Sprechtheaterszene Räume an. Mittlerweile hat sich die Situation verändert: Die festen Theater gieren richtig nach freien Gruppen mit interessanten Projekten, die ihr Haus bespielen. Wir reagieren auf diese Veränderungen und planen ab kommendem Jahr eine Modifizierung des Systems.

Die Furche: Bis 2013 wurde Ihnen die Förderung zugesagt. Wo soll das TAG dann stehen und welche Ziele haben Sie für das Haus?

Mezgolich: Ich hätte gerne, dass man zur Mariahilfer Straße sagt: Das ist die Straße beim TAG! Das TAG ist Theater aus dem Moment, an dem literarisch wertvolle Texte kreiert werden sollen. Das TAG steht für zeitgemäßes, unterhaltsames Theater, bei dem man lachen kann und dabei ernste Sachen erzählt bekommt. Innerhalb der Szene würde ich mir eine größere Vernetzung wünschen, immerhin sind wir alle Theater.

Die Furche: Und wo sehen Sie sich persönlich? In St. Pölten ist die Intendanz gerade ausgeschrieben, werden Sie sich bewerben?

Mezgolich: Nein, ich bin zu sehr dem TAG und dieser Art des Theatermachens verpflichtet.

* Das Gespräch führten Julia Danielczyk und Patric Blaser

Ein runder GeburtsTAG

Margit Mezgolich, 1971 in Wien geboren, ist Regisseurin, Autorin und Mutter zweier Kinder. Ihre Stücke werden erfolgreich im In- und Ausland aufgeführt. Ihre Schauspielausbildung erhielt sie an der Schauspielschule des Volkstheaters in Wien. Regiearbeiten führten sie unter anderem ans Volkstheater Wien, ans Theater der Jugend in Wien, Next Liberty Graz und ans Landestheater in Linz. Seit der Spielzeit 2009/10 ist sie künstlerische Leiterin des TAG. Zum fünften Geburtstag des TAG am 13. Jänner gibt es ab 20 Uhr ein großes Fest bei freiem Eintritt ( www.dastag.at). (j. d.)

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