In der Schöpfung Gott erkennen

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„Lies im Namen deines Herrn, der erschuf“, lautet der erste im Koran offenbarte Vers. Diese Verbindung zwischen Schöpfung und Lesen zeichnet folgendes Bild: Das Universum ist ein Buch, das von Gott für den Menschen geschrieben wurde. Nur der Mensch hat das Privileg, es entziffern zu können. Als Geschöpf hat der Mensch auch seinen Platz darin, er selbst ist Objekt seiner eigenen Lektüre.

Nach koranischem Verständnis steht die ganze Schöpfung im Dienst des Menschen, er wird aufgefordert, seiner Sonderstellung innerhalb der Schöpfung durch verantwortungsvolles Handeln gerecht zu werden. Als Geschöpf weiß der Mensch zugleich, dass er nicht allein ist, Gott beschreibt sich nicht als Schöpfer, der einmal erschuf und dann sein Werk alleinlässt, sondern er ist hier bei uns und vor allem für uns. Abraham, der Vater der Propheten, drückte dies so aus: Gott, der mich erschaffen hat und nun rechtleitet, / der mir zu essen und zu trinken gibt, / und mich, wenn ich krank bin, heilt, / der mich sterben lässt und daraufhin lebendig macht, / und von dem ich hoffe, dass er mir am Tag der Auferstehung meine Sünde vergibt. / Herr! Schenk mir Weisheit und nimm mich unter die Rechtschaffenen auf! / Mach mich zu einem guten Vorbild, / und mach mich zu einem Erben des Gartens der Wonne! (Sure 26 Vers 78-89).

Durch den Schöpfungsglauben bekommt jedes Geschöpf eine besondere Bedeutung, denn es zeugt von einem Schöpfer, der dem Menschen sehr nahe steht. Dadurch gibt jedes Geschöpf, dem man begegnet, Anlass, stehen zu bleiben, um in ihm nach Gott zu suchen. Ich staune über alle Dinge um mich, weil ich in ihnen immer wieder Gott wiedererkenne. Durch ein Islamverständnis, das Religion lediglich auf Dogmen und Gesetze reduziert, verliert der Mensch diese Fähigkeit des Wiedererkennens von Gott in seiner Schöpfung.

Der Autor ist Islamwissenschafter, Soziologe und Imam in Wien

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