In die Sonne geblickt

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Wie sich Wissenschaft und Kunst mit dem Licht beschäftigen - das Museum der Moderne Salzburg zeigt überraschende Parallelen.

Die Sonne hat Substanz, Gestalt, Bewegung, Strahlung, Hitze und Schöpfungskraft." Leonardo da Vinci war nicht der Erste, den die Urgewalt unseres Zentralgestirns faszinierte. Dieses mit ungeschütztem Auge zu betrachten ist jedoch nur um den Preis der zerstörten Sehkraft möglich. Allein der "Abglanz" des Sonnenlichtes durch Verdunkeln ist dem forschenden Auge zugänglich, die eingefangenen Bilder sind also nur mittelbar.

Sichtbar, weil verdunkelt

Wie nah Wissenschaft und Kunst sich in ihrer Auseinandersetzung mit der Sonne und ihrem Licht kommen können, zeigt eindrucksvoll eine subtil gestaltete Präsentation im Museum der Moderne auf dem Mönchsberg in Salzburg. Es begegnen sich Bild gewordene "Ergebnisse des Geschauten": innere Bilder des Künstlers Jakob Mattner und von Hand oder mit Instrumenten festgehaltene Ergebnisse von Sonnenforschern am Einsteinturm in Potsdam (dem architektonischen Kunstwerk von Erich Mendelsohn, erbaut 1920 zur Beweisführung von Einsteins Relativitätstheorie). Die Zusammenschau ist das Ergebnis eines Austausches, der vor rund zwei Jahren begann, als Anna Maigler, begleitende Kuratorin, den Künstler auf die eindrucksvolle Parallelität aufmerksam machte und somit die gegenseitige Wahrnehmung erst ermöglichte.

Seit den 1970er Jahren beschäftigt sich Mattner (unabhängig von aktuellen Strömungen) mit dem Phänomen der Sichtbarkeit von Licht, dessen Erscheinungsbild im Zwischenbereich von Zwielicht und Dämmerung, mit den Feinstabstufungen, die sich an Rand-und Übergangszonen manifestieren. Seine Mittel sind Malerei und Fotografie, Video und Zeichnung sowie der Einsatz von Objekten. Mattner, der zunächst Bildhauerei studierte, erschließt Volumen und Raum durch Licht und Schatten. Seine Helfer sind seine "copains", auf feingliedrige Stative montierte Spiegel, die wie Gesichter für ihn ins Licht schauen und seine Vision eines virtuellen Kosmos aus Kreisen, Ellipsen und sich überschneidende Lichtbahnen auf der Wand erst sichtbar machen. In der Installation Zwielicht wiederum begleiten lichte Glasscheiben wie Trabanten eine große, schwarze Sonne. Mattners Auseinandersetzung mit den russischen Konstruktivisten (El Lissitzky, Malewitsch) klingt hier an, aber weicher, mystischer und mit eher romantischen Bezügen.

Die Sonne im Auge

Seine Malereien hinter Glas haben die Ausstrahlung spiegelnder Fotografien. Vibrierendes Funkeln schimmert durch das wolkige Dunkel seiner Nachtlicht-Arbeiten, die unendliche Tiefen suggerieren. In den Gouachen Schwarzlicht, mehr noch in Trunkenes Licht hellt sich das Dunkel in blasig-eruptiven Strukturen auf. Große Formate verwendet Mattner für seine gleißenden Arbeiten Ich habe in die Sonne geblickt. In feinkörnigen Oberflächen verfließt warmes Gelb in glühendes Rot. Mattner ist hier besonders nah an vergleichbaren Strukturen auf Fotografien der Sonnenoberfläche. Eine kleinformatige Darstellung des Augenhintergrundes von 1897 spiegelt - en miniature - die Erscheinung des Makrokosmos, Bild der "Sonnenhaftigkeit" des Auges.

Zeichen der Beschädigung des Sinnensorgans reflektiert Jakob Mattner mit Retina, in dem schwarzgraue Flecken sich auf kühl-lichtem Gelb ausbreiten. Verblüffende Parallelen finden sich wiederum zwischen seiner Zeichnung Retina Blind und einer Gouache des Astronomen Oswald Lohse (datiert 2. 9. 1872), der das Erscheinungsbild von Sonnenflecken detailliert festzuhalten vermochte.

Sonnenflecken im Bild

"Der gezielte Blick" des Künstlers definiert sich durch ein schwarzes Fadenkreuz im Zentrum einer lichtgelben Gouache, verweist auf seine persönliche Verortung. Diese "Visierung" steht in Bezug zu alten Porträtaufnahmen, denen ein schwarzer Fleck die Persönlichkeit genommen hat: ein doppeldeutiges Spiel mit der "Sichtbarkeit".

Der Zwang zum Bild hat auch die Forscher nicht losgelassen. Historische Darstellungen seit dem 17. Jahrhundert, aber auch Glasplatten mit Aufnahmen der Sonnenfinsternis von 1912 auf Sumatra, Fotos von Sonnenflecken oder um Genauigkeit bemühte Zeichnungen sind Zeugnisse wissenschaftlicher Dokumentation. In Gegenüberstellung mit den Bildern des Künstlers entfalten sie hier eine sehr eigene Ästhetik.

"Als aber das Licht sich mit der Finsternis mischte, ließ es die Finsternis leuchten. Als aber die Finsternis sich mit dem Licht mischte, wurde das Licht finster und war nicht Licht und auch nicht Finsternis." Dieses Zitat aus dem apokryphen Johannes Codex II hat Jakob Mattner seinen Werken zugeordnet, die ebenso leise wie eindringlich, dinglich nah wie kosmisch-unfassbar erscheinen.

der blick in die sonne.

Jakob Mattner und Sonnenforscher des Einsteinturms

Museum der Moderne Salzburg

Mönchsberg 32, 5020 Salzburg

www.museumdermoderne.at

Bis 4. 3. Di-So 10-18, Mi 10-21 Uhr

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