In Geiselhaft zweier Clowns

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Die Vorwahlberichterstattung von Spiegel online war nicht falsch, aber doch haarscharf daneben: "Ein Clown, ein Milliardär, ein Apparatschik und ein Professor, der von Politik nichts versteht. Einer dieser Männer wird Italiens neuer Premier.“ Die eigentliche News bestand indes darin, dass zwei Clowns absehbar das Land unregierbar machen würden. Zusammen haben Bunga-Bunga-Partylöwe Silvio Berlusconi und der gar nicht so komische Komiker Beppe Grillo deutlich über 50 Prozent der Stimmen erhalten. Ihr Erfolg gibt zwei Kommunikationsforschern recht, die seit Jahren mit Sorge die Entwicklung beobachten: Der Politologe Gianpietro Mazzoleni hat in einem bemerkenswerten Buch die absurden Besonderheiten der italienischen "Pop-Politics“ beschrieben, und der Semiotiker Umberto Eco bereits viele Jahre zuvor davor gewarnt, das Fernsehen infantilisiere die Italiener. In der Tat ist das private wie das öffentlich-rechtliche TV von solch erbärmlicher Qualität, dass verblödende Langfrist-Effekte nicht auszuschließen sind. Zumal das Volk nicht Weltmeister im Zeitungslesen ist, sich also viel zu wenig aus seriösen Informationsquellen informiert.

Man muss die Stimmen für Grillo und für Berlusconi auch als Votum gegen Europa und als Zeichen fortschreitenden Realitätsverlusts der Italiener interpretieren. Immerhin gibt es aber auch ein kleines Zeichen der Hoffnung: Berlusconi hat zum dritten Mal keine Mehrheit errungen, trotz Einsatzes seiner geballten Medienmacht - er kontrolliert direkt die drei wichtigsten Privatsender, indirekt einen Großteil des Staatsfernsehens RAI und obendrein den größten Zeitschriften- und Buchverlag des Landes. Selbst in Italien stößt der Populismus der etablierten Medien an seine Grenzen. Umso sensationeller, aber nicht minder populistisch der Erfolg von Grillo als Organisator von Volksaufläufen und einer beispiellosen Internet-Kampagne.

Der Autor ist Medienwissenschafter an der Uni Lugano/CH

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