In memoriam: Richard Strauß

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furche Nr. 38/17. September 1949

Am 8. September 1949 starb Richard Strauss (so die übliche Schreibweise) im Alter von 85 Jahren in seiner Villa im bayrischen Garmisch.

Unser Erbe ist reicher, unser Leben ärmer geworden. Richard Strauß, wie ein Berg in die Gegenwart ragend, entschwand gleichsam als ein Gipfel in den Wolken. Mit seiner irdischen Vollendung schließt sich eine klare, fest umrissene, höchst persönlich bestimmte Tonwelt für die Gegenwart und gehört als ein Ruhendes der Vergangenheit, wieviel Leben daraus auch noch auf uns überströmen mag. Und dies ist der Fall, obgleich einerseits sein Schaffen, bereits dem Heute und seinen Spannungen entrückt, kaum Beziehungen zu den Problemen der Jungen zeigt und in seiner so betont bürgerlichen Komponente einer vergangenen Epoche angehört; und obgleich eben diese Komponente seinen Werken den dokumentarischen Stempel dieser Zeit aufdrückt, deren bedeutendster Repräsentant er war, wie in anderer Färbung etwa Puccini, mit ihm auch der letzte Opernkomponist von Welterfolg.

Richard Strauß gehört zu den wenigen Großen der Tonkunst, die sich nicht neben den vielfältigen Zeitströmungen, sondern mitten durch sie hindurch zur sie überwindenden Künstlerpersönlichkeit entwickeln, gleichsam ein Universum in sich, wenn auch mit tausend Fäden an der Zeit hängend. Seiner musikantischen Urbegabung gelang die Überwindung des Wagnerianismus, aus dem er, aber auch aus Impressionismus und Romantik, das Unzerstörbare fröhlich übernahm und mit mozartischer Klarheit zu einem dem Klassischen verwandten Stil wandelte. Wo immer er steht, ob in der Programmusik seiner symphonischen Dichtungen, ob in den (seinerzeit wie üblich "Kakophonien" genannten) Wagnissen der "Salome" und "Elektra", der wienerischen Synthese des "Rosenkavaliers" oder der stilistischen seiner wundervollen "Ariadne", in der Erstürmung instrumentaler Neutönung oder in der musikalischen Heimkehr seiner Spätopern: immer ist er trotz allen Wandlungen der gleiche, in sich sichere und ein wenig kühle Beherrscher des Gewollten, nirgends so warm als in seinen Liedern, die neben Schubert und Hugo Wolf, nirgends so bezwingend als in seinen Opern, die neben Mozart und Wagner bleibender Besitz geworden sind. Längst sind die Beziehungen zwischen "Rosenkavalier" und "Figaro", zwischen der "Zauberflöte" und der "Frau ohne Schatten" offenbar, wie überhaupt das Unheroische Strauß vor allem mit Mozart verbindet: der einfache, fast simple Einfall und die höchste Kunst der Gestaltung.

Alle Gebiete kompositorischen Schaffens sind von seiner Meisterschaft bereichert worden. Ein einziges war ihm verschlossen: das der geistlichen Musik. Strauß war ein Weltkind. Er gab der Welt, was ihrer ist, und begnügte sich. Er hat die Erde mit Wohlklang und tönendem Glanz erfüllt. Und die Erde dankt es ihm nun, da er sie verließ und unser Erbe reicher, unser Leben aber ärmer machte! Prof. Franz Krieg

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