"… in seine Rinde so manchen Albtraum“

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Linzer Landestheater: Im Ballett "Winterreise“ tröstet nur die Musik von und nach Schubert. Das Stück "Richtig alt …“ hat eine problematische Botschaft.

Nach Jochen Ulrichs bejubeltem Ballett "Anna Karenina“ war die Enttäuschung diesmal doppelt groß und vor allem unverständlich, da Ulrich, den wir ja auch als sensiblen Choreografen kennen, nicht zuletzt aus seinen Aussagen im aktuellen Programmheft, auf Konflikte setzte und die gegebenen Möglichkeiten für die Realisierung seiner Ideen nicht besser zu nutzen vermochte.

Verlässlicher Trost war und blieb die wunderbare Musik, vermittelt vom hervorragend disponierten Bruckner Orchester Linz mit Dennis Russell Davies am Pult, über die es hier nur eine trockene Information geben kann: Heinz Winbeck: "Lebensstürme“ - ein Quodlibet mit und nach Musik von Franz Schubert; Franz Schubert: Sieben Lieder aus "Die Winterreise“ - Bearbeitung von Heinz Winbeck für Orchester und Gesang (eine wahre Freude: Martin Achrainer, Premiere; alternierend mit Katerina Hebelkova, nicht minder hervorragend!); Heinz Winbeck: "Winterreise“- Stationen für 19 Solo-Streicher. So weit das beeindruckende musikalische Programm.

Traumhaft schön auch die Bühne und Kostüme (Gottfried Pilz): stimmungsvoll ausgeleuchtet eine helle Drehscheibe auf Erden, überdacht von einer dunklen, schräg am Himmel hängenden, in der sich das irdische Geschehen spiegelt, wie etwa die schier endlos lange Hochzeitstafel, da es eine Hochzeit zu feiern gilt. Ein Fest also als Ausgangspunkt? Mitnichten. Kaum treffen der Gastgeber (Ziga Jereb) und die zahlreichen Gäste ein - Braut und Bräutigam (Clara Pascual Martí und Matej Pajgert), deren Eltern (Fabrice Jucquois und Irene Bauer), sowie deren Verwandte -, regiert auch schon die Gewalt, werden die Tänzerinnen durch die Luft geschleudert und am Boden herumgeschleift. In dieser Form eigentlich demütigend und inakzeptabel. Im Falle der Braut werden wir Zeugen einer mehr als angedeuteten Vergewaltigung im Rahmen einer von den Eltern geplanten Zwangsheirat - und das ausgerechnet bei und nahe an Schuberts Musik!

Zum Schluss sei eine kurze Erinnerung angebracht: Die "Winterreise-Gedichte“ von Wilhelm Müller wurden in zwei Teilen, 1823 und 1824, veröffentlicht, von Schubert im Februar und Sommer des Jahres 1827 vertont und in seinem Todesjahr 1828 getrennt publiziert. Wer immer sich in diesen Zyklus versenkt, wird von der darin zum Ausdruck kommenden seelischen Befindlichkeit des Komponisten nicht unberührt bleiben.

Mit 45 so richtig alt?

In den Kammerspielen ist mit "Richtig alt, so 45“ ein satirisches Zeit-Stück der britischen Dramatikerin Tamsin Oglesby, übersetzt und facettenreich inszeniert von Christian Wittmann, zu sehen.

In Anwesenheit der Autorin brillierte ein ausdrucksstarkes Ensemble, vor allem aus dem Familienclan bestehend, aus dem in erster Linie Silvia Glogner als fröhlich-demente Oma Lyn und Barbara Novotny als deren erstaunlich exakte Roboter-Pflegerin Mimi hervorgehoben seien, in einer zwar hoch gelobten, doch inhaltlich nicht recht befriedigenden Satire. Wie denn auch? Geht es doch darin um das reale und komplexe Problem der immer älter werdenden Alten, das jedoch von Oglesby trotz aller Komik ernst genommen werden will. Zitat: "Die Ironie jedes Vorurteils gegenüber alten Menschen ist, dass das eines Tages ich und du sein werden.“ Schlimm, vom Regierungsbeamten Monroe (supercool Klaus Köhler), der rätselhaft zu Tode kommt, zu hören, dass 38 Prozent der Bevölkerung über 60 sind. Schlimmer noch: "Wir haben das Sterben nicht gelernt.“ Doch keine Sorge! Abhilfe ist in Sicht, da es in Kürze die Flagshipklinik "Arche“ geben wird. Man ahnt schon, was damit gemeint sein könnte … Der Begriff Euthanasie fällt einem ein; an Pillen denkt man, die bei den Klienten wonniges Wohlgefühl auslösen, aber einen schneller sterben lassen. Na, und die Pensionisten sollten sich doch endlich nützlich machen, wird gefordert. Aber dass Großeltern ohnedies viel für ihre erwachsenen Kinder und heranwachsenden Enkel tun, findet keine Erwähnung.

Auch wenn das Stück schwarzhumorig daherkommt: Es ist etwas zu einseitig und enthält keine Botschaft. Ja, doch: die "Arche“!

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