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Die israelische Friedensaktivistin Gila Svirsky sieht sich als überzeugte Zionistin und fordert gerade deswegen, dass Israel seine Palästinenserpolitik ändert.

Die Furche: Frau Svirsky, worin sehen Sie die größten Hindernisse für einen Frieden in Israel?

Gila Svirsky: Es gibt Hindernisse zum Frieden, die sind leicht zu überwinden: die Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge, der Status von Jerusalem, die Wasserfrage - für alle diese Themen gibt es Lösungen, die für beide Seiten akzeptierbar sind. Aber dann gibt es noch zwei große Hindernisse.

Die Furche: Das sind?

Svirsky: Das erste wirklich schwierige Hindernis zum Frieden sind die extremen Siedler. Das zweite Hindernis mag Sie überraschen, aber ich glaube immer mehr daran: Das ist Israels wirtschaftliches Interesse an der Besetzung der Palästinensergebiete.

Die Furche: Welche Wirtschaft?

Svirsky: Wein zum Beispiel, jeder israelische Wein steht in irgendeinem Zusammenhang mit den besetzten Gebieten. Auch Wein, der aus der Region um Tel Aviv stammt, denn alle Winzer betreiben in den Palästinensergebieten Abfüllanlagen etc. - weil sie dort billiger produzieren können. Man bekommt in Israel keinen …

Die Furche: … keinen koscheren Wein sozusagen …

Svirsky: … genau, keinen politisch koscheren, korrekten Wein. Aber es geht nicht nur um Wein, viele große und kleine Firmen nützen die Möglichkeit billiger Arbeitskräfte in nächster Nähe. Und die Palästinenser sind wichtige Abnehmer für israelische Produkte - die können sonst nirgends kaufen, die müssen teuer kaufen.

Die Furche: Sie haben auch die extremen Siedler genannt - wie wollen Sie mit denen umgehen?

Svirsky: Wir sollten diesen Siedlern einen fünf- bis zehnjährigen Zeitkorridor geben, um ihre Siedlungen zu verlassen. Je früher sie gehen, desto mehr Geld bekommen sie für einen Neuanfang in Israel. Wenn nur mehr wenige Siedler dort sind, wird Israel sagen: Wir müssen euch verlassen, denn ihr habt den Friedensprozess als Geisel genommen. Wir können nicht mehr länger unsere Söhne und Töchter wegen eurer extremen Anschauungen töten lassen; und wir wollen nicht weiter für eure Anschauungen töten.

Die Furche: Und Sie glauben, das ist politisch umsetzbar?

Svirsky: Zehn Jahre sind eine lange Zeit um die Menschen aufzuklären, dass uns diese Siedler vom Frieden abhalten.

Die Furche: Ein Gegenargument: Israel hat besetzte Gebiete aufgegeben und wird jetzt von dort angegriffen.

Svirsky: Stimmt, wir haben den Gaza-Streifen verlassen und die Palästinenser beschießen uns seither von dort. Das ist ein starkes Argument gegen die Räumung von Gebieten und gegen den Frieden. Aber Gaza ist ein Teil des Palästinenserstaates und die Palästinenser dort kämpfen auch für ihre Brüder im Westjordanland. Schauen Sie sich die Verhältnisse dort an: eineinhalb Millionen Menschen auf einem kleinen Flecken Erde, isoliert vom Rest der Welt. Denn Israel hat den Gaza-Streifen zwar verlassen, aber die absolute Kontrolle behalten.

Die Furche: War es eine gute Entscheidung, dass die Zionisten diesen Flecken Erde als ihre Heimat ausgesucht haben - man hatte damals ja auch andere Länder, zum Beispiel Uganda, in Erwägung gezogen?

Svirsky: Es wäre in Uganda nicht anders gewesen, beide Entscheidungen sind problematisch. Die ersten Zionisten haben geglaubt, sie gehen in ein Land ohne Menschen, das nur auf sie wartet. Ich sehe mich als eine Zionistin. Ich identifiziere mich sehr mit Israel als Nation. Aber ich verstehe, dass diese Heimat für mich und viele Millionen Juden auf Kosten von anderen Menschen gemacht wurde, die vorher in diesem Land gelebt haben. Ich anerkenne, dass Israel in Sünde geboren wurde, aber ich bin mir genauso bewusst, dass die Palästinenser wiederholt die Existenz Israels anerkannt haben. Ich wünsche mir, dass wir auch zu einem solchen historischen Kompromiss finden.

Die Furche: Sie sind Zionistin und in der Friedensbewegung sehr aktiv - wie passt das zusammen?

Svirsky: Ich sehe keinen Gegensatz. Extreme Siedler haben dem Zionismus einen schlechten Namen gegeben. Aber der Zionismus wollte den Staat Israel auf sehr demokratischen Prinzipien aufbauen. Das schließt die gleichen Rechte für die arabischen Bürger von Israel ein. Unser Ziel war immer ein wunderbarer, demokratischer Staat, zeitweise überschatten fanatische politische und religiöse Ziele dieses Ziel. Man hat mich schon oft des jüdischen Antisemitismus oder Antizionismus beschuldigt. Zu Unrecht: Meine Kinder waren alle in der Armee - Gottseidank, niemand ist umgekommen, doch ich habe viele Freunde verloren. Ich habe viele Zeugen, ich kann beweisen, dass ich Israel liebe, aber ich bin der Meinung, was wir tun, ist schlecht für mein Land. Es wäre besser für uns, unsere Politik zu ändern.

Das Gespräch führte Wolfgang Machreich. Gila Svirsky war auf Einladung des Vienna Institute for International Dialogue and Cooperation (VIDC) in Österreich.

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