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Kirchen sind keine Museen. Bei ihrer Renovierung geht es um die Balance zwischen Erhaltung des Gewachsenen und Gestaltung zeitgemäßer Liturgieräume.

In unserer Zeit werden, wenn es um die Innenrenovierung von Kirchen geht, Stimmen laut: "Brauchen wir die alten Altäre, brauchen wir die Bilder, brauchen wir die Heiligenfiguren in der Kirche? Können wir nicht einiges davon verkaufen oder weggeben? Die Restaurierung der Objekte fällt weg, das spart Geld, die Erhaltung in der Zukunft wäre billiger. Der "entrümpelte" Raum wirkt größer." Diese Fragen werden mir immer wieder gestellt.

In meiner Funktion als Diözesankonservatorin der Erzdiözese Wien und Leiterin des Referates für kirchliche Kunst und Denkmalpflege bin ich unter anderem für die künstlerische Innenrenovierung zuständig, und mir obliegt unter anderem das Erhalten und Bewahren aller kirchlichen Kunstgüter, sowie die Beratung bei künstlerischer Neugestaltung und bei der Altarraumgestaltung. Das Gebiet der Erzdiözese Wien, für die ich zuständig bin, erstreckt sich auf halb Niederösterreich und die Stadt Wien. In diesem Gebiet befinden sich 660 Pfarrkirchen; dazu kommen Klosterkirchen, Filialkirchen und Kapellen.

Für mich bedeutet das Restaurieren einer Kirche, ihr ihre aus Liebe zu Gott geschaffene Schönheit wieder zurück zu geben und die Würde des Raumes, in dem Gott gegenwärtig ist, zur Geltung zu bringen.

Europäische Kunst würde sich heute nicht so großer Wertschätzung erfreuen, hätten nicht die Vertreter des Klerus wie Bischöfe, Äbte und Pfarrer religiöse Themen für die Kunstwerke vorgegeben und sich mit den Künstlern auseinandergesetzt und ein gemeinsames Konzept erarbeitet, welches den Künstlern als Grundlage ihres Schaffens diente. Höhepunkt dieser Synthese war die Barockzeit, wo wir heute oft Mühe haben, die religiöse Aussage in der künstlerischen Umsetzung zu verstehen.

Entfernen? Erhalten?

Kirchliche Kunst dient der Verkündigung des Evangeliums und bringt den Menschen das Leben der Heiligen nahe.

Unsere Vorfahren haben vor Jahrhunderten Kirchen gebaut und Kunstwerke als Frohbotschaft geschaffen. In der Inneneinrichtung der Kirchen wurde die Würde des Raumes vermittelt in dem Christus gegenwärtig ist; ihm zu Ehren wurde sie gestaltet.

Wir haben in unserer Diözese keine Kirchen, die nur romanische oder nur gotische Ausstattung besitzen. In jeder Zeit wollte man für die Kirche neue Altäre, neue Bilder, neue Skulpturen - Altes wurde oft vernichtet. So entstanden Kirchenräume in einem historisch gewachsenen Zustand. Ein Musterbeispiele dafür ist der Stephansdom. Er bekam in der Barockzeit einen Hochaltar und besonders schöne, schlanke Altäre, die sich an den gotischen Pfeilern emporranken. Andere Seitenaltäre wurden im 19. Jahrhundert errichtet. So hat hier jede Epoche mit ihrer Kunst zur Innenraumgestaltung etwas beigetragen und diese erscheint heute in ihrer Vielfalt harmonisch und ist ein Zeichen der Gläubigkeit der vergangenen Jahrhunderte.

Wenn sich nun bei einer Innenrestaurierung die Frage stellt, was erhalten bleiben und was entfernt werden soll, so muss ich von meiner Sicht her sagen, dass der gewachsene Zustand erhaltungswürdig ist. Als Christin habe ich von der Gläubigkeit meiner Vorfahren soviel Respekt, dass ich den Hochaltar, an dem so viele Messen gefeiert wurden, an dem gebetet wurde, in Würde stehen lasse als Zeichen der Geschichtlichkeit unseres Glaubens, und so geht es mir mit allen Kunstgegenständen, die der Verkündigung dienen. Dies trifft auch für die Kanzeln, dem Ort, wo so oft das Wort Gottes verkündet wurde, zu.

So ist es die Aufgabe kirchlicherseits, dem Kirchenraum bei einer Innenrenovierung seine Würde und Schönheit zurück zu geben und das Verkündigungskonzept wieder ablesbar zu machen, sowie den Altarraum so zu gestalten, dass würdig Liturgie gefeiert werden kann.

Ziel der staatlichen Denkmalpflege, vertreten durch das Bundesdenkmalamt, ist das Erhalten historischer Gebäude mit all ihren Kunstschätzen als Kulturgut für die Nachwelt. Dazu zählen auch unsere Kirchen.

So könnte man reduziert sagen: Der Staat will die Kirchen mit den Kunstschätzen als Kulturgut erhalten; von Seiten der Kirche sind Gotteshäuser, in denen Christus gegenwärtig ist, als Zeichen des Glaubens zu erhalten. So haben beide Seiten den Wunsch der Erhaltung. Dies richtig eingesetzt, vermindert Konflikte. Aus unserer Nutzung heraus gibt es in der Art der Restaurierung (zum Beispiel einer Skulptur) ob museal oder zu Verehrung, verschiedene Zielsetzungen. Dies gilt auch bei Altarraumumbauten. Doch war es bis jetzt meist möglich, zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen.

Unsere Gotteshäuser sind keine Museen, unsere Kunstschätze dienen der Verkündigung und werden nicht als Antiquitäten gesehen. Die Geschichtlichkeit des Raumes muss spürbar bleiben. Sie werden genutzt, um lebendig Gottesdienst zu feiern, sind würdige Wohnung für Jesus Christus und dienen dem stillen Beter. Sie sind aber auch für alle Menschen da, die sich an der architektonischen Schönheit und der Gestaltung der Kunstschätze erfreuen und Ruhe finden wollen.

Da unsere alten Kirchen Kulturgut aller Österreicher sind, ist es nicht nur die Aufgabe der Kirche sie zu erhalten. Sie tragen zur Identität von uns allen bei. Daher dürfen sich auch Bund und Länder ihrer wachsenden Verantwortung zur Erhaltung nicht entziehen.

Sorgen bereiten mir viele Kirchen, deren Bauzustand schlecht ist. Dächer, die nicht dicht sind. Durch die Feuchtigkeit der Wände vermodern die Altäre, verlieren ihre Standfestigkeit, blättern Fassungen ab, lösen sich Malschichten von den Bildern. Die aufsteigende Feuchtigkeit richtet bei Wandmalereien durch Versalzung enormen Schaden an, es kommt zu großen Verlusten der Malschicht. Die Feuchtigkeit schadet aber auch den kostbaren Messgewändern und Fahnen.

Renovierung praktisch

Vor Beginn wird eine Befundung der Raumschale und der Einzelobjekte durchgeführt. Auf Grund dieser Ergebnisse wird ein Restaurier- und Raumkonzept gemeinsam mit den Vertretern des Bundesdenkmalamtes, des Bauamtes und der Pfarre erstellt. Dieses dient als Grundlage für eine Ausschreibung. Die liturgischen Orte - Altar, Ambo und Sessio - sowie der Standort des Taufsteines werden auf ihre Platzierung sowie auf die künstlerische Gestaltung überdacht.

Bei nötiger Um- oder Neugestaltung wird ein Gremium, der "Kleine Altarbeirat", einberufen. Die künstlerische Neugestaltung soll eigenständig, anspruchsvoll und in der Sprache zeitgenössischer Kunst sein, aber auch im Dialog mit den vorhandenen räumlichen Gegebenheiten und deren künstlerischer Kirchenausstattung stehen.

Zur Zeit wird in Wien die Kirche St. Rochus innen restauriert: Kirche frühbarocker Raum, Altäre 17. und 18. Jahrhundert. Im 19. Jahrhundert Modernisierung: Abschlagen des Stucks, Verkleiden der Pilaster mit Stuckmarmor, teilweise Gestaltung der Wände in Stukkolustrotechnik, Überfassen der Altäre, Übermalen der Decken.

Durch die baulichen Veränderungen kann die Raumschale nur im Erscheinungsbild des 19. Jahrhunderts restauriert werden, ebenso um die Einheit des Raumes zu erhalten ist die historisch dazu passende Fassung der Altäre zu belassen und die dazugehörige Deckenmalerei sichtbar zu machen. Das heißt, ich kann den Hochaltar und die Seitenaltäre nicht auf ihre originalen Fassungen freilegen, denn dann würden sie nicht in das vorhandene Erscheinungsbild passen. So muss die Restaurierung auf die Geschichte des Gotteshauses eingehen.

Bei allen unseren Restaurierungen versuchen wir, das "Alte" in Würde zu erhalten und das Neue in der Sprache unserer Zeit zu gestalten. So wurden in der Pfarr- und Wallfahrtskirche Kleinmariazell die Unterkirche, die Raumschale und die künstlerische Gestaltung der Einrichtung sowie Ambo und Sessio neu gestaltet, gleich wie der Zubau des Festsaales.

Diese Vorgangsweise bei der Restaurierung in Kleinmariazell ist wichtig für unsere Glaubwürdigkeit. Die Restaurierung der "Bergl"-Fresken, der Stuckmarmoraltäre, der Bilder, der Orgel und der gesamten Kircheneinrichtung und der Wände ist ausgezeichnet gelungen und hat der Kirche, die keine Ausstrahlung mehr hatte, ihre Identität und Strahlkraft zurückgegeben. Dieser Raum eignet sich jetzt besonders zum Feiern von Gottesdiensten. Seit Abschluss der Restaurierung kamen über 50.000 Gläubige um hier zu beten. So hat dieses Gotteshaus durch die Restaurierung die ursprüngliche Funktion zurück bekommen.

Wie ist unser Restaurierziel: Keine Neuwertigkeit! Verleiht eine Vergoldung die durch Jahrhunderte gealtert ist, nicht mehr Würde als eine Neuvergoldung, die herausschreit? Daher ist unser Ziel ein gepflegter, gealterter Zustand.

Die Autorin ist Diözesankonservatorin der Erzdiözese Wien.

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