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Bollywood-Regisseurin Deepa Mehta hat sich an die Verfilmung von Salman Rushdies monumentalem Epos "Mitternachtskinder“ gewagt.

Es scheint zurzeit eine gewisse Mode zu sein, als "unverfilmbar“ geltende Stoffe doch für die Leinwand aufzubereiten. Zuletzt waren da "Cloud Atlas“ oder Ang Lees mit dem diesjährigen Regie-Oscar prämierten "Life of Pi“ durchaus gelungene Beispiele für schwierige Unterfangen. Spielte bei letzterem Beispiel die Geschichte bereits vor einem indischen Hintergrund, so schlägt nun die Bollywood-Regisseurin Deepa Mehta ("Water“, 2007) zu, auch wenn ihr neuer Film als kanadisch-britische Produktion firmiert.

"Mitternachtskinder“ ist nicht mehr und nicht weniger als der Versuch, den gleichnamigen vielschichtigen Roman von Salman Rushdie zu verfilmen, in dem der britisch-indische Erzähler von Weltgeltung die politischen Wirren auf dem indischen Subkontinent Ende der 1940er Jahre zum Ausgangspunkt seiner fantastischen Geschichte nimmt und diese mit jeder Menge mythischen Beiwerks auflädt.

Fluch und Segen jener Mitternacht

Die titelgebenden Kinder dieser Großerzählung wurden Schlag Mitternacht jenes 15. April 1947 geboren, an dem Indien seine Unabhängigkeit erlangte und gleichzeitig in die drei Staaten Indien, das muslimische Pakistan sowie den buddhistischen Kleinstaat Sikkim zerfiel. Sikkim wurde später wieder von Indien annektiert, während Pakistan sich 25 Jahre nach 1947 in den westlichen Teil gleichen Namens und in den dann Bangladesch genannten Ostteil spaltete. Die Mitternachtskinder haben die Fähigkeiten, einander die Gedanken zu lesen und mit einander in Kontakt zu treten.

Der Film erzählt wie der Roman die Familiengeschichte von Saleem Sinai (Satya Bhabha), dem Spross einer wohlbestallten muslimischen Familie in Bombay. Allerdings ist Saleem gar nicht der Sohn seiner Eltern, denn er wurde unmittelbar nach seiner Geburt von einer armen Hindu-Frau mit dem wirklichen Sohn der Reichen vertauscht. Der andere Bub wird von seinem (Zieh-)Vater Shiva genannte und entpuppt sich als Rächergestalt, die den Lebensweg von Saleem immer wieder kreuzt.

Im Laufe der Zeit wird der Babytausch ebenso offenbar wie die Verstrickung der Mitternachtskinder in die teilweise kriegerischen Wirren. Die als "magischer Realismus“ firmierende Erzählweise von Rushdie, der im englischen Original des Films den Erzähler spricht, verwebt die pralle Historie des Subkontinents mit einer zwischen Islam und den Hindu-Religionen angesiedelten Mythologie.

Die fantastischen Elemente der filmischen Erzählung überhöhen den historischen Plot aber keineswegs, die geschichtlichen Fakten bleiben kenntlich - und für die meisten europäischen Zuseher wahrscheinlich erstmalig zugänglich.

Epos über fünf Jahrzehnte

Über fünf Jahrzehnte hinweg ertreckt sich das Epos, das sich entlang der Schlüsselorte Kaschmir, dann Bombay (Indien), Rawalpindi und Karachi (Pakistan), Dacca (Bangladesch) sowie Neu-Delhi, der Hauptstadt Indiens in der Quasidikatur Indira Gandhis zwischen 1972 und 1977, nach vor hantelt.

Man muss den "Mitternachtskindern“ den nötigen Mut zur filmischen Opulenz anrechnen. Die Kombination von Bollywood und Hollywood tut dem Opus gut, denn ohne ersteres wäre der historische Wust kaum filmisch zu bändigen, und ohne zweiteres bliebe der Plot für Sehgewohnte des US-Kinos wahrscheinlich wenig verständlich. Ein Glanzstück. So etwas wie ein beinah heutig gefilmter west-östlicher Divan.

Mitternachtskinder (Midnight’s Children)

CDN/GB 2012. Regie: Deepa Mehta. Mit Satya Bhabha, Shahana Goswami. Filmladen. 148 Min.

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