Innovativ rekonstruieren - alte Bauten neu denken

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"Europas beste Bauten“ im Architekturzentrum Wien zeigt ausgesuchte Nominierungen für den Mies van der Rohe Award 2011, der im Zeichen von Restaurierung und Nachnutzung stand.

Der Pavillon, den Mies van der Rohe für die Weltausstellung in Barcelona 1929 entwarf, ist eine Ikone. Exemplarisch führt der kleine, feine Bau mit den Nurglas-Fassaden, Stahlstützen, dem auskragenden Flachdach, Patio (Innenhof), Wasserbecken und Skulptur vor, wie sich Innen- und Außenraum verzahnen können. Auch der Grundriss war auf visionäre Art frei und offen. Edel profilierte Stahlstützen und Wandscheiben aus Naturstein genügten, um Raumsequenzen zu definieren. Die Übergänge sind fließend, jedes Detail genau überlegt.

1987 wurde der Mies van der Rohe Award von der Europäischen Kommission, dem Europäischen Parlament und der Fundació Mies van der Rohe ins Leben gerufen, um herausragende zeitgenössische Architektur aus Europa zu würdigen. 2011 feierte die Rekonstruktion des Barcelona-Pavillons ihr 25-Jahr-Jubiläum und wurde der Preis zum zwölfen Mal vergeben. Der Mies van der Rohe Award ist mit 60.000 Euro, die "Emerging Architect Special Mention“ mit 20.000 Euro dotiert. Letztere zeichnet junge Büros aus. Sie ging diesmal an die "Casa Collage“ von Ramon Bosch und Bet Capdeferro aus Spanien. Mit viel Liebe zum Detail und Sinn für die Schönheit alter Materialien legten sie einige baufällige historische Häuser im Zentrum von Girona zusammen und machten sie zu ihrem Familienanwesen.

Aufwendiges Prozedere

"Der Award ist eine Erfolgsgeschichte. Er kann ein Vehikel sein, um über Architektur zu kommunizieren“, so Chefkuratorin Diane Gray von der Fundació Mies van der Rohe. Ein aufwendiges Prozedere bürgt für ein profundes Urteil. Zuerst reichen Architekturkammern, -häuser, -institutionen und unabhängige Experten herausragende Projekte aus ganz Europa ein. 343 Bauten wurden so für den Mies van der Rohe Award 2011 nominiert, sechs wählte die Jury (Vorsitz: Mohsen Mostafavi) in den exquisiten Kreis der Finalisten. Diese wurden gemeinsam vor Ort besichtigt und intensiv diskutiert. Denn Architektur lässt sich nur konkret in ihrem Umfeld und im Gebrauch erfassen. Der Preis wird alle zwei Jahre vergeben und ist so auch ein Seismograf dessen, was Europas Architektenschaft bewegt. Diesmal kristallisierte sich die Neubelebung von Altbestand als großes Thema heraus.

Die Jury wählte Rekonstruktion und Erweiterung des Neuen Museums Berlin zum Sieger. David Chipperfield Architects hatten in Zusammenarbeit mit Julian Harrap umfassend die Identität und Geschichte des Ortes befragt und einen wegweisender Umgang mit einem komplexen Bestand gefunden. Das Neue Museum in Berlin besticht mit Detailqualität und Innovation in der Wiederbelebung einer Ruine, die fast siebzig Jahre lang sich selbst überlassen war. Von Friedrich August Stüler geplant, zwischen 1841 und 1849 gebaut, wurde das Gebäude im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt. 1997 gewannen Chipperfield und Harrap den internationalen Wettbewerb zu seiner Rekonstruktion. Das Neue Museum wurde nicht zu Tode rekonstruiert, sondern in unterschiedlichen historischen Phasen und Zuständen erhalten und schlicht ergänzt. Was zerstört war, komplettierte man im ursprünglichen Volumen durch neue Zubauten. So ist die faszinierende Historie des Verfalls integriert und das Museum trotzdem voll funktionsfähig zum Leben erweckt. "Ich war sehr an der Idee interessiert, dass wir keine eigene Handschrift zeigen“, so David Chipperfield im Gespräch mit Mohsen Mostafavi. "Unsere Eingriffe sollten wahrnehmbar sein, aber nicht explizit.“

Ein Rehabzentrum nicht nur für Patienten

Alle Finalisten sind von hoher Qualität. Bernard Tschumi begab sich an die Wurzel europäischer Kulturgeschichte. Er plante das neue Acropolis Museum in Athen, das klassisch in drei Teile strukturiert ist. Seine Basis bilden die archäologischen Ausgrabungen, über denen das Museum respektvoll auf Säulen schwebt. In der Mitte liegen die Hauptgalerien.

Das Rehabilitationszentrum Groot Klimmendaal steht am Rand von Arnheim in einem Wald. Einen Teil ließ Architekt Koen van Velsen weit auskragen und auf schmalen Stützen über dem Waldboden schweben. So entsteht ein gedeckter Freibereich unterm Haus. Auch innen schaffen hohe Gläser und eingeschnittene Atrien viel Bezug zur umgebenden Natur. Das Rehabilitationszentrum ist so schön, dass auch Theatergruppen, Schulen und andere Leute aus dem Ort die Turnsäle, das Schwimmbad, Theater und Restaurant nutzen.

Mit aerodynamischen, fließenden, linearen Formen setzten Zaha Hadid, Patrik Schumacher und Gianluca Racana das MAXXI - "Museum of 21st Century Arts“ in Rom in Szene. Weiters in der Endrunde: Das Konzerthaus des Dänischen Rundfunks in Kopenhagen von Jean Nouvel und das Bronks Jugendtheater in Brüssel von Martine De Maeseneer und Dirk Van den Brande.

Europas beste Bauten

Architekturzentrum Wien, 1070 Wien

bis 8. Oktober, tägl. 10-19 Uhr

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