Inszenierung mit Multikulti-Touch

Werbung
Werbung
Werbung

Richard Wagners gesanglich und darstellerisch hervorragende #Meistersinger von Nürnberg# in einer unorthodoxen Aufführung von Olivier Tambosi in Linz.

Langsam strömt das Publikum in den Saal im Großen Haus des Linzer Landestheaters, blickt zur Bühne (Bengt Gomér) und staunt: Statt eines Vorhangs ein riesiges weißes Feld mit einem großen schwarzen Viereck in der Mitte, das kurze Zeit später den Blick auf das mittelalterliche Nürnberg freigibt. Und während sich der Saal füllt, ist noch Zeit, sich zu erinnern, dass Wagners humorvolles Meisterwerk, das hierorts zum letzten Mal vor 28 Jahren gegeben wurde, nun auch von der Generation der 1982 Geborenen in Linz gesehen werden kann. Künftige Opernfreunde werden es aber bereits im neuen Opernhaus am Park nach der Eröffnung 2012 oder 2013 genießen können! Dann wird es am Schluss vielleicht wieder eine Festwiese geben, und als Besucher wird man dann endlich von der schlechten Akustik im Großen Haus erlöst sein. Gäbe es nicht die Übertitel, man verstünde nur die Hälfte vom Text.

Nürnberg wird abgetragen

Doch noch sind wir an der Promenade im Großen Haus. Während unserer Rückbesinnung wurde der Blick auf die Bühne freigegeben: Die einzelnen Gebäude der so romantisch anmutenden Stadt Nürnberg werden flink weggetragen und ersetzt durch einen großen Apfelbaum! Schräg über der Bühne hängt eine riesige Tafel mit bunten Hieroglyphen, die später entfernt wird, und man darf weiter staunen, dass die T-Shirts fast aller Mitwirkenden, auch des Chores, durch Städtenamen aus der ganzen Welt gekennzeichnet sind. (Ein buntes Bild und Synonym für Internationalität und eine fröhliche Grundstimmung, wenn es auch genügend dramatische und sehr ernste Momente gibt.)

Der Inhalt der berühmten Oper mit Musik und Text von Richard Wagner darf wohl als bekannt vorausgesetzt werden: das Ringen zwischen einem hoch begabten, über das Mittelmaß hinaus strebenden Menschen, wie ihn der Ritter Walther von Stolzing (Michael Ende), der ein Meistersinger werden möchte, darstellt, und dem zwar arrivierten, aber kleingeistigen Sixtus Beckmesser (Björn Waag, ein gefeierter norwegischer Wagner-Sänger). Beide erwiesen sich als erstklassige Singschauspieler, ein Attribut, das man auch Matthäus Schmidlechner (David) sowie den Damen Katrin Adel (Eva) und Karen Robertson (Evas Amme Magdalene) zuschreiben muss. Davon abgesehen, darf man dem gesamten Gesangsensemble bescheinigen, dass es sich mit seinen schönen, kultivierten Stimmen sehen und hören lassen kann!

Doppelter Sachs

Ja, und Hans Sachs! Für ihn gab es zwar auch, wie für alle Solisten üblich, eine Doppelbesetzung, aber beide Darsteller erkrankten zur gleichen Zeit, so dass Johannes von Duisburg # mit ärztlichem Spielverbot belegt! # die Rolle in einer Seitenloge sang und Albert Pesendorfer # mit ärztlichem Singverbot belegt! # auf der Bühne stand. Prädikat: Alles bestens! Erheiternd wie berührend fiel die Szene von Sachs mit Eva, der Tochter des Goldschmieds Pogner (Dominik Nekel) aus: Sie würde ihn zum Mann erwählen, könnte sie nicht die Gattin Stolzings werden, der durch die Bosheit des intriganten Beckmesser in dessen Eigenschaft als #Merker# # er verzeichnet die Fehler eines Kandidaten # #versungen und vertan# hat. Sachs ist klug genug zu verzichten und weiß auch besseren Rat. Glückliches Ende: Stolzing wird mit seinem #Preislied# zum Meistersinger ernannt und kann seine Eva heimführen.

Glanzloses Orchester

Die Operntexte sind nahe der Wahrheit des Menschlich-allzu-Menschlichen und gewiss ein Teil des Erfolgs dieses Werks. Immerhin: Beckmesser muss sein mieses Verhalten zwar büßen, gelangt aber zu besserer Einsicht, sodass die Großmütigkeit Stolzings zur Versöhnung führt.

Die Choreografie der berühmten Prügelszene, in der man einander nicht schont, besorgte Darie Cardyn. Einen Ohrenschmaus bot auch der Chor und Extrachor des Landestheaters Linz (Einstudierung Georg Leopold). Das nur kleinst besetzte Bruckner Orchester Linz unter seinem Chef Dennis Russell Davies spielte diesmal viel zu laut und ohne Glanz. Dieser ging von den meisterlichen Sängerinnen und Sängern aus.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung