Intelligentes Museumsdesign

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In Wien wird viel gestritten, aber nichts entschieden. Und alles bleibt, wie es nicht sein sollte.

Kunst ist nicht rentabel - im Gegenteil, sie ist eine der gründlichsten, wenn auch elegantesten Geldvernichtungsmaschinen. Museen als Endstationen dieser virtuellen Werte kosten Geld. Mit Ausstellungen lässt sich auf Dauer nichts verdienen. Ausstellungshäuser als Eventorganisationen benötigen Subventionen und bringen keinen Gewinn. Das Guggenheim-Prinzip ist vorerst gescheitert, sein Chef Krens zurückgetreten und dem Kapitalstrom gefolgt, als Berater für Abu Dhabi, wo sogar der Louvre mit einer Filiale präsent sein wird.

Wer sich Museen als Orte des Sammelns, des Bewahrens, der Kunstpflege, Vermittlung und der Forschung leisten will, muss für deren Finanzierung sorgen. Eine Politik, die sich mithilfe der Ausgliederung davonmacht, um ihr Budget zu entlasten, hat das Recht verspielt, den Museumsdirektoren Weisungen zu erteilen. Die Lösung, mittels Blockbustern die Quoten zu erhöhen und durch Sponsoren unabhängig zu sein, stößt bald an natürliche Grenzen. Hierzulande gibt es keine international orientierten Sammlungen, sodass eine Schenkung (keine "Stiftung") die notorischen Lücken unserer Museen schließen könnte.

Kunst kostet Geld

Vor kurzem bedankte sich der britische Premier Brown bei dem Kunsthändler Anthony d'Offay für 725 Werke von 32 Künstlern der Gegenwart. Der Spender bekommt die Summe, zu der er die inzwischen auf das Fünffache gestiegenen Werke gekauft hat. Der Galerist verzichtet dabei auf 130 Millionen Euro. Dass viele noble Spender nicht auf ihre Sammlungen verzichten wollen und lieber mit Dauerleihgaben Museen vor allem in Deutschland unterstützen, hat für böses Blut gesorgt. Da werden Kosten abgewälzt und bei großen Wertsteigerungen mit neuen Standorten gepokert bzw. verkauft. Großsammler helfen nur selten den Museen, es sei denn, sie tragen die Kosten für Neubauten.

In Wien hat es im 20. Jahrhundert keinen Museumsneubau gegeben. Die noch immer strahlende Ausstellungshalle der Secession wurde 1898 gebaut, das Zwanzgerhaus war ein transferierter Pavillon der Brüsseler Weltausstellung 1958. Das Museumsquartier wurde Anfang 2001 eröffnet. An eine Sanierung des Künstlerhauses denkt offenbar niemand. Einen Berthold Beitz gibt es in Wien nicht, der als Vorsitzender der Krupp-Stiftung kurz entschlossen mit über 40 Millionen Euro einen Neubau des Folkwang-Museums in Essen finanziert, der 2010 (Kulturhauptstadt) eröffnet werden soll.

Nach einem ein Jahrhundert währenden Tiefschlaf ist plötzlich allerorten das Interesse an der Gegenwartskunst erwacht. Alle wollen beteiligt sein, die Albertina, das Belvedere, das MAK, sogar das MUMOK und das KHM, das mit den Außenstellen Palais Harrach (und Lipizzaner-Museum) Schiffbruch erlitten hat. Da jeder nur seinen eigenen Schrebergarten pflegen will, kommt es zu ständigen Überschneidungen. Um die Möglichkeiten von Richtlinien in Form von Sammlungsprofilen zu erkunden, wurde ein Beratergremium aus einem Museumsplaner und zwei kuratierenden Juristen gebildet. Museumsleiter hat man nur als Gastreferenten zugelassen. Vor der Idee eines Generaldirektors oder Präsidenten aller Museen schreckt man zurück. Das mag in Berlin (mit dem gerade inthronisierten Archäologen Parzinger) oder Frankfurt funktionieren, wo Max Hollein von alten Sammlungen bis zur modernen Kunsthalle und nicht zuletzt dank einer hervorragenden Pressearbeit Erfolge feiert.

Die Wiener Gerüchteküche

Die Museumsdebatte läuft in Wien hinter den Kulissen immer nach demselben Schema ab. Der grüne Tisch steht in der Gerüchteküche. Entscheidend sind Tratsch und Anekdoten. Wer hat einer Ministerin das Büro eingerichtet, wer frühstückt mit ihr, wer bringt regelmäßig Blumen vorbei, wer lädt einen Sektionschef auf ein Weingut ins Burgenland ein, wieso sitzt ein Mitglied der ministeriellen Museumsberatergruppe in einem Museums-Board, vor welcher Chefin, vor welchem Direktor zittern Mitarbeiter am meisten und so fort. Unnötige Publizität erreicht hierzulande nur ein selbstherrlicher Direktor seiner "Privatstiftung", in der Restitutionen nicht gesetzlich vorzuschreiben sind, sondern rechtlich als Enteignung gelten. Wirklich populär wird ein Meisterwerk wie die "Saliera" nur durch einen Diebstahl. Es wird viel gestritten, aber nichts entschieden.

Unvereinbare Maximen

Die Ausgangslage wird von zwei unvereinbaren Maximen bestimmt. Die energischen und ideenreichen Museumsleiter gestalten ihre Häuser neu. So wird aus einem verschlafenen Kunstgewerbemuseum ein Architekturhaus und eine Kunsthalle, so wird aus einer baufälligen grafischen Sammlung ein Allzweck-Museum, so wird aus einem Kunsthistorischen Museum ein Tanker, der sich andere Museen (vom Theatermuseum bis zum Völkerkundemuseum) einverleibt.

Wer sich hier orientieren will, wird es nicht leicht haben. Wer pflegt die Skulptur? Das Ferne liegt so nah, der Vorsitzende des Wotruba-Fördervereins, der Generaldirektor des KHM, hat vor Jahren im völlig ungeeigneten Dachboden des Palais Harrach Fritz Wotruba, aber auch Rodin präsentiert. Wo fand aber zuletzt eine intelligente Skulpturen-Ausstellung auf internationalem Niveau statt? Auch nicht selbstverständlich: im (unteren) Belvedere mit der Konfrontation von F. X. Messerschmidt und Tony Cragg.

Wer sichert sich das Wohlwollen und die längerfristigen Leihgaben von Meisterwerken der Moderne? Nicht das MUMOK, sondern die "grafische" Sammlung Albertina. Ausstellungen, die das MUMOK nach seiner ihm zugedachten Widmung veranstalten müsste, finden aus Geldmangel und Raumnot im Kunstforum, der Ausstellungshalle der BA-CA, und im Museum Essl in Klosterneuburg statt. Diese privaten Institutionen haben längst die Aufgaben des Museums der Moderne übernommen.

Die erste Maxime ist vom Selbstverständnis aufgeweckter Individuen geprägt, die selbstherrlich auftreten und ihre Träume realisieren. Die zweite Einstellung ist von der Tradition bestimmt. Klassische Kunsthistoriker neigen ihr zu. Die dazu passende Einstellung ist von klaren Vorgaben bestimmt, nämlich von der historisch gewachsenen Widmung der Häuser.

Das MAK ist das um Design erweiterte Kunstgewerbemuseum. Die glänzende Idee, die einzelnen Abteilungen von Künstlern neu zu installieren, hat es zum "Museum des Jahres" gemacht. Doch der klare Rahmen wurde bald als zu eng empfunden. Das Belvedere ist das Museum österreichischer Kunst, vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Doch dabei wird es nicht bleiben. Österreich ist keine Insel, sondern in das internationale Geschehen eingebunden. "Paris-Wien" war gleich zu Beginn der neuen Direktorin ein Blick über den engen Horizont.

Der dynamische Direktor der Albertina hat die Grenze der Kunstgattung Grafik als falsch empfunden und sein Institut zu einem umfassenden Kunstmuseum umgebaut. Das KHM hätte sich, nach dem Verständnis der Traditionalisten, lieber mehr um die Schatzkammer als um andere Museen kümmern sollen. Das MUMOK schließlich hadert mit den ungenutzten Chancen aller woanders stattfindenden Ausstellungen und als einzige Anstalt mit dem Begriff der Moderne, die eigentlich abgeschlossen ist, deren Pflege man in Wien verschlafen hat, deren Lücken nicht mehr zu schließen sind. Auf die Pflege der Gegenwartskunst schließlich konzentrieren sich Kunsthalle, Secession als nicht vom Bund administrierte Institute, aber eben auch alle anderen.

Evolution oder Design

Die zwei inkompatiblen Maximen sind nicht gegeneinander abzuwägen oder auszudiskutieren. Es handelt sich dabei um zwei Grundeinstellungen, wie sie in vielen weltanschaulichen Auseinandersetzungen wirksam sind. Theologen argumentieren für das intelligente Design, das heißt den Schöpfergott als Urheber der Weltentstehung. Gegen diesen Neokreationismus der Bibelgläubigen sprechen sich die anderen für die sogar von Selektionszufällen bestimmte Evolution aus. Kein Museumskonzept wird diesen Konflikt lösen. Die "intelligenten Designer" wollen alles nach ihrem Bilde neu schaffen, die Evolutionisten sich nicht außerhalb der historischen Entwicklung stellen. Alles wird so bleiben, wie es nicht sein sollte.

Der Autor war Professor für Kunstgeschichte in Freiburg und Duisburg-Essen, lebt in Wien und beschäftigt sich mit Museumsfragen.

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