Intendanten, Intendanten ...

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Personen: Spielich, Theaterintendant Hörich, Rundfunkintendant Sehich, Fernsehintendant Besprechungsraum. 1 Tisch, 3 Stühle. Die drei Intendanten sitzen einander gegenüber.

Sehich: Sie beklagen sich also, lieber Spielich, daß wir im Fernsehen zu wenige aktuelle Theateraufführungen bringen.

Spielich: Was heißt, zu wenige. So viel wie keine. Weder Live-Übertragungen, noch Sendungen von Mitschnitten oder Studioaufnahmen. Auch nicht im Rundfunk. Sogar die Hörspiele werden immer weniger.

Hörich: Programmpolitik! Man hat uns die Hörspieltermine wegrationalisiert.

Sehich: Und die Kosten! Einfach exorbitant! Denken Sie an die diversen Festspielübertragungen: Salzburg, Bregenz, Mörbisch ...

Spielich: Das Jahr hat aber mehr Monate als Juli und August.

Sehich: Na, und die Wiener Festwochen im Mai/Juni?

Spielich: Und was ist von September bis April?

Hörich: Jaja, wir wissen: Da wird an jeder Provinzbühne Theater gemacht. Mit Schauspielern, die - na, ja. Und die wollen Sie auch noch im Rundfunk hören!

Sehich: Und auf dem Bildschirm sehen! Haben Sie denn keine kritische Distanz zur künstlerischen Kompetenz der Provinzbühnen? Überlassen Sie doch die Theater- und Hörspielsendungen den Kollegen von der Bundeshauptstadt!

Spielich: Das ist doch die Höhe. Sie - Sie Zentralist!

Hörich: Lieber Kollege Spielich, mäßigen Sie sich. Wir wollten doch ein amikales Gespräch führen. Sie versprachen, uns einen Vorschlag zu machen.

Sehich: Sogar einen interessanten Vorschlag!

Spielich: Richtig. Wir beginnen die nächste Saison mit einem Paukenschlag. Mit einer Theatersensation.

Sehich: Lassen Sie hören.

Spielich: Ich gehe ganz neue Wege. Wir machen innovatives Theater. (Nach einer Kunstpause genüßlich:) Besetzungstheater.

Sehich: Besetzungstheater?

Hörich: Besetzungstheater?

Spielich: Jawohl. Meine Herren Kollegen, das Regietheater ist tot. Es lebe das Besetzungstheater!

Sehich: Ja, und?

Spielich: Wir beginnen die Saison mit dem "Käthchen von Heilbronn". Kleist. Klassikerpflege. Bildungsauftrag. Sie verstehen?

Sehich: (faßt sich als erster, Käthchens Ton nachahmend) Ja, mein hoher Herr.

(Sehich und Hörich lachen belustigt.)

Hörich: Ein Fressen für die Emanzen!

Sehich: Und das nennen Sie innovativ?

Hörich: Und das nennen Sie einen Paukenschlag? Eine Sensation?

Spielich: (überlegen lächelnd) Wir haben doch einen Bildungsauftrag, das wissen Sie ebenso gut wie ich.

(Sehich und Hörich lachen) Sehich: Den Bildungsauftrag können Sie sich abschminken, werter Kollege! Bourgeois. Wer will das schon?

Hörich: Was zählt, sind Reichweiten, mein Lieber. Quoten! Marktanteile! Die beweisen, was das Volk hören und sehen will. Wir veröffentlichen sie ja laufend.

Spielich: Gerade das macht Ihre Anstalt so verdächtig.

Sehich: Wollen Sie uns vielleicht unterstellen ...

Spielich: Ein schlechtes Gewissen, vielleicht. Dachten Sie an etwas anderes?

Hörich: (einlenkend) Kommen wir zur Sache. Wo ist Ihr Paukenschlag?

Spielich: Hören Sie. Ich biete Ihnen unsere Produktion "Das Käthchen von Heilbronn" zur Aufzeichnung und Sendung im Fernsehen an.

Sehich: Diese romantische Klamotte! Das meinen Sie doch nicht im Ernst.

Hörich: Nun sagen Sie nur noch, der Peymann führt Regie!

Spielich: Nein. Aber der Otto Schenk. Und die Rolle des Käthchens habe ich mit der Jazz-Gitti besetzt.

(Sehich und Hörich wiehern) Sehich: Und wer spielt den Ritter vom Strahl?

Spielich: Rainhard Fendrich.

(Sehich und Hörich wiehern) Hörich: Das könnte dem Dschi Ei gefallen. Das gibt hohe Einschaltquoten. Reichweiten!

Sehich: (skeptisch) Und die haben Sie unter Vertrag - den Schenk, die Jazz-Gitti und den Fendrich?

Spielich: Die sind begeistert! Der Erfolg ist vorprogrammiert.

Hörich: Und der Skandal auch. Ich höre schon die Buhrufe.

Spielich: Und ich höre die Kasse klingeln. Na, was ist? Können wir über Details reden?

Sehich: Sie meinen, über Finanzen? Hm. Ich fürchte, das wird zu teuer. Das nimmt uns der Dschi Ei nicht ab.

Spielich: Wer weiß? Gerhard Zeiler war doch bei einem Privatsender, bevor er Generalintendant des ORF wurde. Der hat ein Gespür, wenn schon nicht für Literatur, so doch für Unterhaltung. (Ironisch) Das sieht man am Fernsehprogramm. Apropos, kennen Sie den besten Einzeiler? Nein? Nun: Ein Zeiler ist schon zuviel! (Lacht als einziger. Sehich und Hörich lächeln säuerlich) Hörich: Sie verstehen: Wir sind loyal.

Spielich: Aber selbstverständlich. Ist ja auch nur ein Wortspiel. Apropos, Spiel. Sind Sie interessiert an unserer sensationellen "Käthchen"-Produktion?

Sehich: Setzt voraus, daß man das Stück kennt. Ich weiß nicht recht. Das wird doch nicht einmal mehr in den Schulen gelesen. Ich sehe mir erst die Premiere an.

Hörich: Ich auch. Aber sagen Sie, lieber Herr Kollege Spielich, wie geht's denn in Ihrem Spielplan mit dem "Besetzungstheater" weiter?

Spielich: Mit "Hamlet". Volle Häuser sind garantiert.

Sehich: Spannend. Erzählen Sie: Wer macht das?

Spielich: Franz Xaver Kroetz inszeniert, die Ophelia spielt Elfriede Ott.

Sehich, Hörich (gleichzeitig) Und den Hamlet?

Spielich: Den spielt Karl Moik.

(Sehich und Hörich sind begeistert) Sehich: DIE Inszenierung kauf ich. DIE Sendung bringt Marktanteile.

Hörich: Nein, ich! DIE bringt Reichweiten! Innovativ: DER LITERATURSTADL!

Spielich: (vergnügt) Meine Herren Kollegen, wir werden uns einigen. Es lebe das Besetzungstheater!

Alle drei: ES LEBE DAS BESETZUNGSTHEATER!

(Sie gratulieren sich gegenseitig. Ab.)

"Intendanten", eine Farce für drei Personen, wurde im Literarturhaus in Frankfurt/M. am 6. Oktober 1995 uraufgeführt.

In der Regie von Georg Staudacher spielten Margret Czerni (Sehich), Rudolf Habringer (Hörich) und Christian Schacherreiter (Spielich).

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