Werbung
Werbung
Werbung

Auf den Tag genau 222 Jahre nach der tumultuösen Uraufführung von Beaumarchais' 'Der tolle Tag oder Die Hochzeit des Figaro" in Paris erlebt das Theater in der Josefstadt eine eher verhaltene Aufführung.

Während der zweite Teil der Figaro-Trilogie nach längerem Verbot 1784 endlich zur Aufführung gelangen konnte und sogleich als Signal einer neuen Epoche gedeutet wurde, ist es anlässlich der Inszenierung des polnischen Regisseurs Janusz Kica schwer zu sagen, was er überhaupt erzählen will.

Mit der burlesken Sittenkomödie reflektierte der Kleinbürger Caron, der es dank einer schwindelerregenden Umtriebigkeit zu einer glanzvollen Karriere außerhalb seines Standes gebracht hat - noch bevor die große Revolution auch die letzten Standesgrenzen niederreißen sollte -, mit beißendem Spott die absolutistischen Machtverhältnisse und den moralischen Verfall des ancien régime. Entgegen einer weit verbreiteten Meinung erkannte man die revolutionäre Grundierung des Stückes allerdings nicht ausschließlich im Aufbegehren gegen die überkommene Gesellschaftsordnung, sondern ebenso im eigensüchtigen Streben der Figuren danach, dass sich ihr Leben erfüllt, sowie der skrupellosen Agilität, mit welcher dieser Wunscherfüllung beharrlich, einfallsreich und vor allem unzimperlich nachgeholfen wird.

Das Stück, ein wahrer Reigen der Intrigen, ist satirisches Porträt einer entarteten, egoistischen Gesellschaft. Seine Botschaft ist weniger der Ruf nach dem Umsturz der vorgegebenen Ordnung als vielmehr der Aufruf zu unbedingter Subjektivität, nämlich sich in einer durch Wandelbarkeit, Kurzlebigkeit und stetigen Verfall geprägten Realität zu arrangieren.

Beaumarchais' Sicht auf die Welt und die menschliche Natur ist pessimistisch. Die Verhältnisse verlangen nach Schein und Täuschung, nach Misstrauen, die vermeidlich ,ewigen Werte' erweisen sich als brüchig: Die Liebe ist vergänglich, die Gefühle relativ, die Treueschwüre kurzlebig. Das Leben erscheint von närrischer Kontingenz, der Mensch als bloßer Spielball des Zufalls.

Man könnte meinen, das alles böte genug für eine Spiegelung auch gegenwärtiger Zustände. Aber weder eine Analyse gesellschaftlicher Hierarchien noch Bilder von den Schlachtfeldern menschlichen Glücksverlangens lassen sich Kicas musealem Zugriff entlocken. Diese Inszenierung steckt tief im 18. Jahrhundert, es gibt kaum eine Dimension jenseits von dem, was der Text sagt. Daher wirkt sie papieren, ja weltabgewandt wie der Musikantenstadl. Dass die Geschichte der Komplotte und Gegenkomplotte nicht gänzlich zur blutleeren Burleske verkommt und den Abend irgendwie rettet, ist allein dem gut disponierten Ensemble zu danken.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung