Irans Nationalepos wird 1000 Jahre alt

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Abu l-Qasim Firdousis monumentales Werk Schahname prägt seit einem Jahrtausend die Geschichte und Kultur der persischsprachigen Welt.

Es ist ein bisschen in Vergessenheit geraten, doch zum tausendjährigen Jubiläum seiner Entstehung wird auch in Europa in Festveranstaltungen dieses monumentale Werk von etwa 60.000 Versen gewürdigt. Es ist das umfassendste Epos, das von einem Einzeldichter je geschaffen wurde und das Nationalepos der persischsprachigen Welt. Sein Autor, Abu l-Qasim Firdousi, wurde um 940 in Baz, einem Dorf im Bezirk Tus im Nordost-Iran nahe Maschad, geboren. Seine Eltern waren wohlhabende Bürger, deren Familienname unterschiedlich überliefert wird, das Pseudonym "Firdousi“ bedeutet "der Paradiesische“.

Beim Schreiben verarmt

Was ihn bewogen hat, ein derartiges Werk zu schaffen, ist nicht bekannt. Schon in sehr jungen Jahren hat er sich ein großes Wissen über die Geschichte und daraus resultierende Legenden seines Landes angeeignet, die er liebevoll und voll Begeisterung in unzähligen Szenen verarbeitete, die das Geschehen im antiken Persien veranschaulichten. Er gilt als einer der ersten Vertreter der neupersischen Literatursprache, die im 10. Jahrhundert am Hof der Samaniden entstanden ist.

Die intensive Beschäftigung mit seinem Werk ließ Firdousi die praktischen Lebensaspekte vergessen und er verarmte. Außer einer Reise nach Bagdad verbrachte er sein Leben im altpersischen Chorasan, wo er herumreiste, um Material für sein Lebenswerk zu sammeln. Aus finanzieller Bedrängnis wandte er sich, bereits 65-jährig, nach Ghazna, um dem dortigen Herrscher Mahmud sein Werk vorzulegen. Mahmud galt als Freund der Künstler, die er an seinem Hof um sich scharte, doch soll er selbst nur wenig Kunstsinn gehabt haben. So soll er nach einer Überlieferung des Nizami Arudi das Epos "nicht einmal eines Blickes gewürdigt“ haben.

Der eigentliche Grund dürfte aber in religiösen Differenzen gelegen sein, denn Mahmud war Sunnit, während Firdousi Schiit war. Besonders verwerflich dürfte Mahmud die letzten Verse empfunden haben, wo der Held Rostam Farrokhzad seinem Bruder vor der Schlacht von Kadesia schreibt, was den Iran nach der arabischen Eroberung und der folgenden Islamisierung erwartet. Diese Verse wurden so kritisch beurteilt, dass der Mullah von Tabaran, einem Dorf nahe Tus, Firdousi die Grabstätte am islamischen Friedhof verwehrte, sodass dieser im eigenen Garten innerhalb der Stadtmauern beerdigt wurde. Doch sein Grab wurde schon bald zur Pilgerstätte und der "Stolz der Iraner“ in einer würdigen Grabstätte beigesetzt.

Unter der Regentschaft von Reza Schah und der Gründung eines iranischen Nationalstaates wurde Firdousi zum "Wiedererwecker“ iranischer Identität und sein Schahname zum Nationalepos. Um seine Ehrung zu dokumentieren, wurde 1934 in Tus ein klassizistisches Mausoleum errichtet, in dem seine sterblichen Überreste endgültig beigesetzt wurden.

Für das persische Volk und die persischsprachigen Tadschiken, die sich als Uriraner fühlen, war das Schahname allgegenwärtig. Denn im Laufe der Jahrhunderte, die seit seiner Entstehung vergangen sind, war es fixer Bestandteil des "Naghali“, des künstlerisch-dramatischen Vortrags in Kaffee- und Teehäusern. Selbst die breite Bevölkerung kannte viele der Verse.

1975 wurde schließlich in Tus, der Heimatstadt Firdousis, ein Festival gegründet, das im Rahmen des Schahname die persischen Künste fördern sollte und bis heute jährlich zelebriert wird. Initiatorin war die damalige Schahbanu Farah Pahlavi, die das Schiraz-Kunstfestival zum Vorbild nahm, das nicht nur die heimischen Künstler förderte, sondern durch internationalen Zuspruch zum Wirtschaftsfaktor wurde.

Bis nach Europa

In Europa kam das Schahname durch das rege Interesse am Orient bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts zu Ehren. Die bekannteste Übersetzung lieferte Friedrich Rückert in dem zu dieser Zeit üblichen, schwülstig-übertriebenen Stil, der aber sicherlich Firdousis Sprache entsprach. Auch der österreichische Dichter Franz Grillparzer dürfte mit dem Schahname in Berührung gekommen sein, denn in seinem Drama "Der Traum ein Leben“ ist der Held Rustan Firdousis Prinzen Rostam sehr ähnlich. Doch nicht nur der literarische Wert des Werkes muss gewürdigt werden, sondern auch die zahlreichen Miniaturen, die den Text illustrieren, sind bemerkenswert. In feiner Manier, mit Liebe zum Detail, schildern sie das höfische Leben sowie das Volk mit seinen Dämonen und "Tschins“, den bösen Geistern.

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