Irdisch, zugleich himmlisch

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Papst Franziskus skizziert ein neues altes Bischofsbild, das professionelle Kompetenz und göttliche Gnade miteinander in Einklang bringt. Ein Beitrag zur kirchlichen Strukturdebatte.

Es darf nachdenklich machen, dass einen Tag vor der Abreise der Bischöfe Österreichs zum Ad-Limina-Besuch nach Rom Bischof Kurt Krenn verstarb, der es in seiner Amtszeit immer wieder verstand, einen Keil sowohl in die Bischofskonferenz als auch in die österreichischen Ortskirchen zu treiben. Mit überzeugter Sturheit verteidigte er seinen Standpunkt einer "petrifizierten“ Kirche, den er nur abzulegen bereit gewesen wäre, wenn sich der "liebe Gott“ selbst geändert hätte. Mit "exzellenter“ Noblesse spricht jetzt sein Bischofskollege in Wien von den Kontroversen, die das Wirken von Bischof Krenn wohl hervorgerufen habe, "aber Freunde wie Gegner haben seinen Mut und seine Geradlinigkeit anerkannt“. Etwa auch die "Geradlinigkeit“, einige seiner Brüder im Bischofsamt am Petersplatz in Rom vor der Kuppel über dem Grab Petri als Lügner bezeichnet zu haben, die besser das Maul halten sollten?

Am 28. Dezember 1993, dem ersten Jahrestag seiner Ernennung zum Oberhirten von Eisenstadt meinte Bischof Paul Iby, was ihm in seinem Bischofsamt eigentlich schlaflose Nächte bereite, seien einerseits die Personalsorgen und andererseits die Uneinigkeit in der Bischofskonferenz, also im "österreichischen Bischofskollegium“.

Pastorale Professionalität gefragt

Das Gebet und die Hoffnung engagierter und um eine lernende Kirche bedachter katholischer Christen, bald nach dem Ad-Limina-Besuch der österreichischen Bischöfe bei Papst Franziskus die noch ausständigen Entscheidungen für die Nominierungen der Bischofsstühle der Diözese Graz-Seckau und der Militärdiözese erwarten zu dürfen, bleibt aufrecht. Am 27. Jänner 2014, als Öster-reichs Bischöfe am Grab des ersten Bischofs von Rom mit einer Eucharistie den Beginn des Besuchs "an den Schwellen“ des petrinischen Hauses feierten, erinnerte Papst Franziskus bei seiner Morgenmesse in der Kapelle des vatikanischen Gästehauses Domus Sanctae Marthae daran, dass Bischöfe in der katholischen Kirche gesalbt und nicht demokratisch gewählt werden.

Ein Bischof könne nicht wie in einem Unternehmen durch Mehrheitsentscheid bestellt werden; dem kirchlichen Hirtenamt liege die Weihegnade zugrunde, so Franziskus. Die Erfahrung der letzten Monate lässt darauf schließen, dass sowohl bewahrende als auch aufbrechende Kräfte der Kirche diese seine Worte auf ihre eigenen hermeneutischen Waagschalen legen werden, um sie letztlich für sich zu vereinnahmen.

Die letzten Päpste, allen voran Benedikt XVI., haben viel über das Priesterbild geschrieben und gesprochen, herzlich wenig jedoch über das Dienstamtsverständnis des Bischofs. Papst Franziskus allerdings lässt aufhorchen, wenn er die Bischöfe "Gesandte“ Christi nennt, die den Stallgeruch ihrer Herde haben sollen, oder wenn er die "Flughafen-Bischöfe“ als Skandal bezeichnet.

Beim traditionellen Weihnachtsempfang für die Mitarbeiter der römischen Kurie am 21. Dezember 2013 weist Franziskus auf die pastorale Vision "auf das Große“ hin, die nach einer dienenden und professionellen Ausrichtung kirchlicher Schlüsselstellungen verlangt. Glaubhaft kann professionelles Leiten in einer Pfarre menschlich nur dann gefordert werden, wenn die kirchliche Hierarchie selbst Professionalität vorlebt. Und in der Kirche geht es immer und ausschließlich um pastorale Professionalität: im Vatikan, in den regionalen Bischofskonferenzen, in den diözesanen Ordinariaten und in den Pfarrkanzleien.

Ohne innere Einstellung zum Dienst am Menschen und der Kirche, d. h. ohne pastorale Haltung "wächst die Struktur der Kirche wie ein schwerfälliges Zollamt, eine bürokratische Untersuchungs- und Kontrolleinrichtung, die dem Wirken des Heiligen Geistes und dem Wachsen des Gottesvolkes keinen Raum lässt.“ Die spirituelle Haltung und die menschliche Professionalität, also die Kompetenzen des Mitarbeiters und der Mitarbeiterin für seine ihm oder ihr anvertraute Aufgabe stellt Franziskus über die Organisationsstruktur der Kirche, wohl wissend, dass Kultur und Struktur eng miteinander verknüpft sind, ja einander beeinflussen.

Leitungskompetenz - auch für Bischöfe!

Die petrinische Forderung nach Professionalität und somit Leitungskompetenzen ist an alle kirchlichen Mitarbeiter gerichtet, vor allem jedoch an die Hirten der Ortskirchen. Die Worte der Evangelien sprechen eine deutliche Sprache: die Initiative liegt bei Gott, wir Menschen können jedoch nicht bloß passiv zuschauen. Wir selbst müssen ein festliches Hochzeitsgewand anlegen (vgl. Mt 22,1-14), für genügend Öl in unseren Lampen vorsorgen (vgl. Mt 25,1-13), die uns anvertrauten Talente investieren (vgl. Mt 25,14-30).

Das Spannungsszenario zwischen Leitung und Leistung, in dem Mitarbeiter der Kirche sowohl in Bereichen der Administration, der Caritas und Diakonie und der allgemeinen Dienstleistung als auch in der Pastoral aller hierarchischen Ebenen arbeiten, wurzelt in der dualen Wesenseinheit der Kirche Jesu Christi, die in Lumen Gentium, der Kirchenkonstitution des II. Vatikanums, von den Konzilsvätern als "sichtbare Versammlung und die geistliche Gemeinschaft“, also als "irdische Kirche“ und als "mit himmlischen Gaben beschenkte Kirche“ beschrieben und eingefordert wird. Sie "bilden eine einzige komplexe Wirklichkeit, die aus menschlichem und göttlichem Element zusammenwächst“. Ähnlich den Wirtschaftsunternehmen wird in der Kirche als sichtbare Communio der Menschen der dringende Ruf nach wirtschaftlichen und führungstechnischen Maßstäben immer lauter, während die von Jesus selbst konstituierte geistliche Gemeinschaft auf der frei geschenkten Gnade Gottes baut.

Kirche und kirchliche Institutionen brauchen beide, ihr Fundament begründende Elemente: professionelle menschliche Kompetenzen und göttliche Gnade. Kirchliches Leadership, das nicht auf den Prinzipien menschlichen Zusammenarbeitens und -lebens aufbaut, wird den Herausforderungen der Gesellschaft auf lange Sicht nicht standhalten können. Genauso könnte eine Negation der göttlichen Gnade in der Arbeit in und für und mit der Kirche zur Aushöhlung ihrer göttlichen Sendung führen. Das Zusammenspiel von professionellen Kompetenzen und Leistungsorientierung der Führungskräfte und ihrer Mitarbeiter, die nicht voneinander zu trennen sind, bilden die Grundlage für eine "kirchlichen Kultur“ für morgen. Alles in der Welt Getane, Erfahrene, Geschehene und Erduldete ist pastoral relevant.

Ein visionärer Blick in die kirchliche Zukunft fokussiert auf der Notwendigkeit einer ganzheitlichen Aus- und Weiterbildung der administrativ und pastoral tätigen Humanressourcen in der Kirche und auf der Möglichkeit, an theologischen Fakultäten Pastoral Leadership als akademisches Studium zu etablieren.

Die Weisheit als verständige Einsicht (Sir 1,4), die Ignatius von Loyola seinen Gefährten mit auf den Weg gibt, bündelt das Thema von Gnade und Kompetenz in markanten Worten: "Vertraue so auf Gott, als hinge der gesamte Erfolg der Dinge von dir, nichts von Gott ab; wende ihnen jedoch alle Mühe so zu, als würdest du nichts, Gott allein alles tun.“

Der Autor, Jg. 1942, war Personalchef und -berater in heimischen und weltweit tätigen Wirtschaftsunternehmen. Seit 2005 ist er Diakon in der Diözese Eisenstadt.

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