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Eine Ausstellung im Wiener Rathaus spürt die Lebens- und Schreiborte von Helmut Eisendle auf.

Irgendwo, fand er, der dieser Tage 65 Jahre alt geworden wäre, müsste ein Hauptwort sein: "Es gibt eine Erklärung dafür. Irgendwo kann überall sein. In Paris, Berlin und genau der Ort, in dem Sie jetzt leben oder sich aufhalten; ein Bahnhof, ein Flughafen, ein Strandcafé am Meer."

Wo auch immer sich das jeweilige Irgendwo des Schriftstellers Helmut Eisendle (1939-2003) befand, es lag in der Regel an einer Schreibmaschine, die er stets mit sich führte. Das Gerät Modell Erika ist ein Prunkstück der Ausstellung "Die Orte des Helmut Eisendle" in Wien. Zu Maschinen hatte der gelernte Techniker offenbar ein eigenes Verhältnis. In Berlin erstand er 1987 neben seinem ersten Computer auch eine IBM-Kugelkopfmaschine. Die von Eisendle später aus der defekt gewordenen Kugelkopfmaschine und einer auf dem Berliner Flohmarkt erworbenen Kartoffelschälmaschine konstruierte "Kugelkopfbetrachtungsmaschine" war schon 1995 auf der Frankfurter Buchmesse und ist nun im 1. Stock desWiener Rathauses zu sehen.

Im neu adaptierten langen und schmalen Ausstellungskabinett der Wiener Stadt- und Landesbibliothek haben Andreas Brandtner und Julia Danielczyk eine sehenswerte Schau zusammengestellt. Sie konnten dabei aus dem Nachlass des erst am 20. September 2003 verstorbenen Autors und aus zahlreichen Leihgaben von Weggefährten schöpfen. Dazu gehören Ansichtskarten und Briefe, wie Alfred Kolleritsch einen aus Spanien zur Eröffnung der Ausstellung vorlas.

Getreu der Bedeutung des Irgendwo für Eisendle ist die Schau nach Orten, nach den Stationen seines Lebens und Schaffens, gegliedert. In Graz wurde er am 12. Jänner 1939 geboren; dort hat er auch die Schule besucht, seine ersten beruflichen Erfahrungen als Fernmeldemonteur und Telefontechniker gesammelt und schließlich ein Studium der Psychologie und Philosophie mit dem Doktorat abgeschlossen. Ab 1972, dem Jahr seiner ersten erfolgreichen Publikation, "Walder oder die stilisierte Entwicklung einer Neurose", arbeitete er als freier Schriftsteller mit wechselnden Standorten: Barcelona, München, Friaul und Triest, die Südsteiermark, Berlin und ab 1993 ständig Wien: "In 24 Jahren bin ich 20mal übersiedelt."

Die Ausstellung zeigt Fotos, Manuskripte, Typoskripte, Druck-fahnen mit eigenhändigen Korrekturen, gedruckte Texte und Gegenstände aus Eisendles Leben. Sie macht neugierig auf eine Auseinandersetzung mit seinem umfangreichen Werk, das hier in Beziehung zu seinen Aufenthaltsorten gesetzt wird. München, wo er Opfer eines Überfalls wurde, weckte in ihm das Interesse an magischen Quadraten. Berlin faszinierte ihn durch sein Inseldasein, das mit dem Fall der Mauer verloren ging. Noch in Berlin schrieb er das Theaterstück "Abendwien oder Die schönste Landschaft ist das Hirn", in Anlehnung daran später in Wien das Dramolett "Zur Eisernen Zeit", auf das gleichnamige, von ihm häufig besuchte Nasch-markt-Lokal anspielend.

Wenn der kritische Besucher meint, in der sehr übersichtlichen Ausstellung doch einen Fehler entdeckt zu haben, nämlich angesichts eines Zeitungsausschnittes aus der Kronen Zeitung, wo ein Herbert Eisendle, geboren 1931, abgebildet ist, so offenbart er nur eine Wissenslücke: Es handelt sich um keine Verwechslung, sondern um Helmut Eisendles älteren, ebenfalls schriftstellerisch tätigen Bruder.

Die Orte des Helmut Eisendle

Rathaus, Stiege 4, 1. Stock,

Ausstellungskabinett der Wiener Stadt- und Landesbibliothek,

1082 Wien

Bis 27. Februar,

Mo-Do 9-18.30 Uhr, Fr 9-16.30 Uhr

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