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Realistische Malerei in der Kunsthalle Wien: Nicht die Natur, das Bild ist Objekt.

Elegant lehnt Cary Grant am offenen Kamin eines Landhauses - eine Pose, in der man den Hollywood-Star, Inbegriff des Gentlemans mit perfekten Manieren und kultiviertem Charme, schon tausendmal gesehen zu haben glaubt. Mit einem Unterschied: Grant ist splitternackt, von seinem braungebrannten Körper hebt sich jener Bereich, der normalerweise von der Badehose bedeckt ist, käseweiß ab. Kurt Kaupers Cary Grant-Serie ist der sicherlich aufsehenerregendste Beitrag zur Ausstellung "Lieber Maler, male mir ...", die zur Zeit in der Kunsthalle Wien zu sehen ist. Eine Schau, die sich einem seit Jahrzehnten im höchsten Maße problematisierten, ja verpönten Genre widmet: der realistischen Malerei.

Seit dem Anbruch der Avantgarde zu Beginn des 20. Jahrhunderts gelten das Figurative und der Realismus in der Malerei als überholt. Spätestens mit dem Faschismus, welcher der Ästhetik eines monumental-klassizistischen Realismus huldigte, wurde jeder Maler als reaktionär betrachtet, der eine realistische Darstellungsweise wählte. Das kritische Potenzial figurativer Malerei, so die allgemeine Auffassung, sei gleich null - ein Vorurteil, das von der Kunsthallen-Ausstellung prompt widerlegt wird.

Als Urvater des Neuen Realismus mag Francis Picabia gelten. In den dreißiger Jahren begann der Avantgardist, der mit sämtlichen Ismen experimentierte, buntrealistische Bilder zu malen, die von der Kunstszene als ungeheurer Affront empfunden wurden. Picabia verwendete als Vorlage für die damals entstandene Akte Fotografien aus erotischen Magazinen. Damit nahm er vorweg, was für so gut wie alle Neuen Realisten gilt: Nicht die Natur, sondern das Bild ist das Objekt. Fotografien, Filme, Fernsehbilder, die Presse, der Kanon der Kunstgeschichte oder vorhandene visuelle Codes dienen als Vorlage, so gut wie nie wird nach einem natürlichen Vorbild gemalt. Nicht selten gesellt sich zu dieser doppelten Brechung ein Moment der Ironie - siehe Cary Grant.

Ein anderer Vorfahre ist Bernard Buffet, für Andy Warhol "mein Lieblingskünstler, der letzte große Maler von Paris". Der Künstler, dessen stilprägende Graphismen in den fünfziger und sechziger Jahren als Poster und Postkarten, auf Zeitschriftencovers, in der Werbung und als Mode- und Souvenirartikel omnipräsent waren, war zugleich "der verachtetste Künstler des letzten Jahrhunderts, ein Paria, der auch heute noch von den Kuratoren, Kritikern und Verlegern gemieden wird wie die Pest" (Alexander Roob im Katalog).

Unter den Zeitgenossen sticht neben Kauper vor allem John Currin heraus. Früher nährte die Trivialkultur, heute die klassische Malerei seinen "kunsthistorischen Vampirismus" (Alison M. Gingeras). Beinahe naive Darstellungen von Frauen mit abnorm aufgeblähten Brüsten wichen bizarren Porträts im Stile Alter Meister. In der Kunsthallen-Schau - eine Kooperation mit dem Centre Pompidou in Paris und der Schirn Kunsthalle Frankfurt - ist mit großformatigen Gemälden auch der 1997 verstorbene Wahlwiener Martin Kippenberger vertreten, dessen Oeuvre der spielerische Ausstellungstitel entlehnt ist.

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