Islam oder doch nicht Islam?

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Rund um die Anerkennung der "Islamisch-alevitischen Glaubensgemeinschaft in Österreich“ herrscht juristisches Chaos aus Anträgen und Beschwerden verschiedener Gruppierungen.

Die "Islamisch-alevitische Glaubensgemeinschaft“ (ALEVI) wird schon bald eine gesetzlich anerkannte Religionsgesellschaft sein. Eine entsprechende Verordnung von Bundesministerin Claudia Schmied ging am 8. April in Begutachtung und wird voraussichtlich Anfang Mai in Kraft treten. Ganz so einfach ist die Sache allerdings nicht, denn rund um die Anerkennung der Aleviten herrscht ein juristisches Chaos, das nicht zuletzt auf die Frage "Islam oder nicht Islam?“ zurückgeht.

2009 war noch alles in Ordnung. Die österreichischen Aleviten - unter dem Dach der "Föderation der Alevitengemeinden in Österreich“ (AABF) - bemühten sich um die staatliche Anerkennung. Dazu musste zunächst die Eintragung als religiöse Bekenntnisgemeinschaft - die Vorstufe zur Anerkennung - beantragt werden. Allerdings war man sich nicht einig, ob das Alevitentum innerhalb oder außerhalb des Islams anzusiedeln sei. Die Folge: Der "Kulturverein der Wiener Aleviten“ spaltete sich von der AABF ab und reichte beim zuständigen Kultusamt als "Islamisch-alevitische Glaubensgemeinschaft“ einen Antrag ein, 17 Tage später folgte jener der AABF ohne "islamisch“ im Titel.

Mehr als eine "islamische“ Gemeinschaft

Der erste Antrag wurde zunächst abgelehnt. Das Kultusamt ging davon aus, dass es aufgrund des Islamgesetzes keine zweite "islamische“ Glaubensgemeinschaft neben der "Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich“ geben dürfe. Der Verfassungsgerichtshof war aber anderer Meinung: 2010 wurde ALEVI als religiöse Bekenntnisgemeinschaft eingetragen. Der Antrag der AABF wurde gleichzeitig abgewiesen, weil er sich nicht genug von jenem von ALEVI unterscheide, um zwei getrennte Bekenntnisgemeinschaften zu rechtfertigen, so das Kultusamt. Religionsrechtler zweifeln diese Entscheidung bis heute an.

Während die AABF in der Folge also gegen den negativen Bescheid des Kultusamts Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof und auch beim Europäischen Gerichtshof für Menschrechte einreichte, machte sich ALEVI an den nächsten Schritt: die "richtige“ Anerkennung, verbunden mit zahlreichen rechtlichen Vorteilen und vor allem mit dem Recht auf Religionsunterricht an öffentlichen Schulen. Die wesentliche Hürde für diesen nächsten Schritt waren die Mitgliederzahlen: Zwei Promille der Gesamtbevölkerung sind Voraussetzung, also (laut Volkszählung 2001) 16.861 Menschen. Während die AABF nach wie vor auf eine Antwort der Gerichte wartet, konnte ALEVI dem Kultusamt zuletzt ein Mitgliederregister vorlegen, das 17.351 Namen umfasst.

Jedes einzelne dieser Mitglieder könnte jetzt entscheidend sein. Denn die AABF ist über die Bemühungen von ALEVI - aus ihrer Sicht nach wie vor ein rebellischer Teil-Verein - gar nicht glücklich. Viele hätten unterschrieben, weil sie dachten, sie unterstützten die AABF, so deren Sprecher Deniz Karabulut zur FURCHE. Nun versuche man, diese Menschen dazu zu bringen, ihre ALEVI-Mitgliedserklärungen zu widerrufen.

Bis zu drei alevitische Gruppierungen

Sollten dies tatsächlich mehr als 490 Menschen bis zum Ende der Begutachtungsfrist tun, wäre die Anerkennung vorerst vom Tisch und ALEVI müsste ein neues Mitgliederregister nachreichen. Riza Sari, Sprecher der "Islamisch-alevitischen Glaubensgemeinschaft“ sieht das indes gelassen. Mit der AABF möchte er ALEVI erst gar nicht verglichen wissen, schließlich sei diese bloß ein einfacher Verein und als solcher nicht auf der gleichen Ebene wie ALEVI.

Zu allem Überfluss bemühen sich derzeit auch noch die so genannten "Altaleviten“, eine überwiegend kurdische Gruppierung, um eine Eintragung als religiöse Bekenntnisgemeinschaft. Sie sieht sich - wie die AABF - außerhalb des Islams, bezieht sich aber nicht auf Ali, den Schwiegersohn Mohammeds, als Namensgeber, sondern auf "alev“, das türkische Wort für Feuer.

Ein Ende des juristischen Chaos rund um die Aleviten ist derzeit nicht in Sicht. Die staatliche Anerkennung der Islamisch-alevitischen Glaubensgemeinschaft ist wohl nur noch eine Frage der Zeit. Ob daneben noch andere alevitische Gruppierungen als religiöse Bekenntnisgemeinschaften eingetragen oder als Religionsgesellschaften anerkannt werden, ist angesichts des derzeitigen Antrags-, Beschwerden- und Gutachten-Dschungels völlig offen.

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