Ist dein Gewissen zu schwach, sind sie zu stark

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Die Regiebrüder Dardenne fügen ihrem unverwechselbaren Stil eine neue Dimension hinzu: "Lornas Schweigen" spielt am Rand der Gesellschaft.

Im Zentrum der Parabel "Lornas Schweigen" der Regiebrüder Dardenne steht die aus Albanien stammende Lorna (Arta Dobroshi), die im belgischen Lüttich ihr Glück sucht. Sie träumt davon, gemeinsam mit ihrem Freund Sokol (Alban Ukaj) eine kleine Snack Bar zu eröffnen, doch fehlt es am nötigen Kleingeld. Der Vorschlag des Gangsters Fabio (Fabrizio Rongione): Lorna soll den Junkie Claudy (Jérémie Renier) heiraten, um zur belgischen Staatsbürgerschaft zu gelangen. Nachdem dessen Drogentod nachgeholfen worden wäre, würde sie - so der Plan weiter - nach einer kurzen Trauerzeit einen zwielichtigen Russen ehelichen, so dass dieser wiederum in den Besitz eines belgischen Passes gelangte. Zunächst funktioniert der perfide Plan, da sich alle an ihre Rollen halten.

Mörderischer Plan vom Glück

Doch ausgerechnet Claudy, vor dem Lorna eigentlich graut und der sie ständig traktiert, schafft es, in ihr eine Veränderung hervorzurufen. Trotz ihrer äußerst angespannten Lage sieht sie sich dazu genötigt, dem elenden Bündel an ihrer Seite zu helfen, was sie in Konflikt mit Fabio bringt. Schickt Lorna Claudy in den sicheren Tod? Oder siegt die Mitmenschlichkeit, die das diffizile Arrangement gefährdet? Hinzu kommt, dass Lorna meint, von Claudy ein Kind zu erwarten. Vielleicht ist das ja etwas anderes, was sie da in sich rumoren fühlt - die Gewissheit, dass die Liebe uns manchmal ganz unverhofft und im unpassendsten Moment trifft.

Schuld, Sühne und Erlösung

Die Filme der belgischen Brüder Jean-Pierre und Luc Dardenne stehen wie Monolithe in der Landschaft der Kinematographie: sehr einsam, hoch und schroff. Sie erzählen Geschichten von Waffelverkäuferinnen: "Rosetta" erhielt 1999 die "Goldene Palme" von Cannes, Bauarbeitern ("Das Versprechen") und Schreinermeistern ("Der Sohn"). 2005 gewannen sie für "Das Kind" abermals die Palme d'Or. Die wiederkehrende Beschäftigung mit Schuld, Sühne und Erlösung legen christliche Interpretationen nahe. Direkte religiöse Bezüge gibt es im neuen Film aber keine, vielmehr zeigen die Brüder, wie stark unsere Erzähltradition christlich geprägt ist. Leider schwächelt das Drehbuch insofern, als es keine konsequente moralische Entwicklung für Lorna vorsieht. Nur wer den spröden Stil der Dardenne-Brüder mag, wird auch an "Lornas Schweigen" Gefallen finden. Wem diese Darstellung aber nicht liegt, kann an diesem Werk mit Sicherheit nichts Außergewöhnliches finden.

Lornas Schweigen (Le Silence De Lorna)

B/F/D 2008. Regie: Jean-Pierre & Luc Dardenne.

Mit Arta Dobroshi. Verleih: Filmladen. 105 Min.

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