Ist die Sammlung noch zu retten?

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Wie man hört, ist der Ruin der Wiener Sammlung alter Instrumente in der Hofburg schon beschlossen. Muss das wirklich sein? Gibt es für das geplante "Haus der Geschichte" keinen anderen Platz als gerade dort in der Neuen Burg, wo die weltberühmte Klaviersammlung des Instrumentenmuseums seit Jahrzehnten ihren würdigen Platz hat?

Unvergesslich ist mir das Bild des damaligen Direktors der "Sammlung alter Musikinstrumente", Viktor Luithlen, den ich bei einem meiner ersten Besuche weinend am Boden knien sah. Er hielt in den Händen ein Bündel historischer Violinbögen, das er aus einer Vitrine herausgenommen hatte. Fast alle Bögen waren demoliert - Kriegsschäden. Weinend könnte ich mir auch den derzeitigen Leiter der "Sammlung alter Musikinstrumente", Rudolf Hopfner, vorstellen, wenn er das Schicksal seiner ihm anvertrauten Sammlung vor Augen hat. Minister Ostermayer und Professor Rathkolb haben sich nämlich zusammengetan und einen sonderbaren Beschluss gefasst. Zur Errichtung eines "Hauses der Geschichte" muss ein wesentlicher Teil der Instrumentensammlung weichen. Geplant ist, vom Mittelsaal weg den gesamten linken Flügel der Neuen Burg dem neuen Museum zu widmen.

Neue Burg im Dornröschenschlaf

Nun bilden die dort ausgestellten Objekte aber nicht einfach nur ein Lager alter Klaviere, sondern eine weltweit anerkannte Sammlung, in der Logik der Aufstellung an ihrem derzeitigen Platz sogar die schönste. Dass sie derzeit ein viel zu wenig beachteter Teil des Kunsthistorischen Museums ist, muss man der Museumsleitung anlasten. Das Augenmerk der letzten Jahre war vorwiegend auf das Haupthaus am Ring gerichtet, während die Neue Burg in einem Dornröschenschlaf schlummerte und kaum beworben wurde. Nun wird wohl von der Obrigkeit der Schluss gezogen, dass die Instrumente wenig Interesse und Besucher finden. Abgesehen davon, dass über Bedeutung der Kultur nicht unbedingt das Interesse der Menge entscheidet, kann man annehmen, dass bei entsprechender Werbung auch das Instrumentenmuseum viel mehr Besucher finden würde.

Ich lade Sie im Folgenden zu einem kleinen Spaziergang in die "Sammlung alter Musikinstrumente" ein. Bereits im Mittelsaal empfangen den Besucher wertvollste Klaviere. Auf ihnen haben die Größen der Musikgeschichte gespielt, zum Beispiel Robert Schumann, Klara Schumann, Johannes Brahms, Franz Schubert. Hier kann man sehen, welche enorme Entwicklung der Klavierbau im 19. Jahrhundert genommen hat. Was für eine Wärme strahlt zum Beispiel der dunkelbraune Schumann-Brahms-Flügel aus: Man hört auch ohne die Tonbeispiele die Romantik der Werke dieser Komponisten heraus. In den anschließenden Sälen zur linken Hand finden sich zierliche Klaviere, die mit dem hellen Furnier noch ein wenig die Anmut und den Reiz der Biedermeierzeit widerspiegeln und zurückführen bis zu den Instrumenten der Mozartzeit Ende des 18. Jahrhunderts. Diese Instrumente, liebevoll restauriert und instand gehalten, bieten zugleich einen in der ganzen Welt einmaligen Überblick über die Entwicklung des Wiener Klavierbaus. Was für eine Handwerkskunst steckt in diesen Instrumenten! Dann kommen die großen, schweren Klaviere aus dem Ende des 19. Jahrhundert, die dem pompösen Stil ihrer Zeit entsprechen. Optischer Hauptanziehungspunkt ist das für Kaiser Franz Josef gebaute Klavier, vergoldet, wie man es sich halt für einen alten Kaiser vorstellt (der kaum darauf gespielt haben wird).

Gehen wir zurück zum Mittelsaal, der auch als Konzertsaal dient, wo man die verschiedenen alten Instrumente zum Erklingen bringt. Nun kommen wir in den korrespondierenden rechten Flügel, der hauptsächlich die Streich- und Blasinstrumente zusammenfasst. Neben elfenbeinernen Flöten, goldblinkenden Trompeten, Posaunen und Hörnern des 18. und 19. Jahrhunderts fallen silberverzierte lange Trompeten auf und kleine, drachenförmige Instrumente, Tartölten, die sehr dekorativ aussehen und wohl nur zu Maskenumzügen gespielt wurden.

Uralte Zupfinstrumente

Haben Sie je eine Lira da Braccio gehört? Das schönste Stück seiner Art können Sie hier genau betrachten. Es ist ein Instrument aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts. Neuere Forschungen datieren es später, das tut der Bedeutung des Instruments allerdings keinen Abbruch. In den Corpus ist ein Faunskopf geschnitzt, der zugleich einen weiblichen nackten Leib umfasst -der Kopf dieses Leibes findet sich oben am Hals beim Wirbelkasten. Die Lira da Braccio wurde am Arm gespielt (Braccio -Arm) und man musste aufgrund der vielen Saiten immer mehrere Saiten zusammen streichen. Man weiß, dass Leonardo da Vinci eine Lira da Braccio in Form eines Pferdekopfes selbst geschnitzt und gespielt hat. Das Instrument hier ist mindestens so fantasievoll gestaltet. Wie es wohl geklungen hat? Kein Lebender hat dieses Instrument spielen dürfen, weil man fürchtet, dass es zusammenbrechen würde, wenn man die Saiten spannt. Wie zur Erklärung steht daneben eine "Lira da Gamba", die abwärts gehalten wurde (Gamba -Bein), mit noch mehr Saiten. Nun fällt das Auge auf ein absonderlich aufragendes Instrument in einer abenteuerlichen Form, das aber nur ein uraltes Zupfinstrument darstellt. Danebenhängende Gemälde bezeugen diese Instrumente in der bildenden Kunst. Nicht übersehen sollte man das kleine, dunkle Instrument, an dessen Rücken eine schöne Venus-Figur geschnitzt ist: Ein Rebec (kleines dreiseitiges Streichinstrument), dessen Decke allerdings nicht erhalten ist. Nun zieht eine Serie von verschieden großen sackartigen Streichinstrumenten die Aufmerksamkeit auf sich: Gamben. Auch das älteste geigenartige Instrument, schon nahe der Violinform des 16. Jahrhunderts, gehört dazu. Lauten und andere Zupfinstrumente ergänzen den einmaligen Bestand. Darunter eine Lukrezia, die sich gerade erdolcht, als Halsende einer wunderschön gestalteten Zister (flaches Zupfinstrument mit Metallsaiten).

Großartige Handwerkskunst

Gehen wir weiter zum Saal des 18. Jahrhunderts: Hier findet sich ein merkwürdiges Geigeninstrument, eine Violine aus Schildpatt und Elfenbein mit einem Elfenbeinbogen aus dem Besitz der Kaiserin Maria Theresia, das wohl nie gespielt worden ist. Anders steht es um die Violine Leopold Mozarts, ein hübsches Instrument Tiroler Herkunft in Originalzustand. Ich entdeckte sie vor Jahrzehnten bei einem Instrumentenmacher. Über Drängen meines Freundes Gerhard Stradner (damals Direktor der Sammlung) gab ich sie an das Museum weiter. Gott sei Dank! Denn sonst wäre sie mit vielen anderen Instrumenten aus meiner Wohnung gestohlen worden!

Der hervorragende Überblick über die gesamte Geigenbauschule des 18. Jahrhunderts zeigt die Bedeutung der Wiener Geigenbauer. Die komplette Sammlung von Blasinstrumenten des 18. und 19. Jahrhunderts vermittelt einen hervorragenden Eindruck von der Tüchtigkeit heimischer Instrumentenbauer.

Ich will hier keinen Katalog des Museums wiedergeben, sondern nur auf einige besondere Stücke hinweisen. Sie beweisen, dass diese Sammlung in vieler Hinsicht ein Ruhmesblatt österreichischer Handwerkskunst darstellt. So ist auch sie ein Museum für österreichische Geschichte - nämlich für österreichische Kultur. Auf diesen bisher allzu verborgenen Edelstein seltenster Art sollte man stolz sein, statt ihn zu ramponieren.

Hier, gerade beim so genannten "Hitlerbalkon" und dem Heldenplatz, ein "Haus der Geschichte" zu errichten, ist eine wenig einleuchtende Idee. Ich plädiere daher für den Erhalt der "Sammlung alter Musikinstrumente" und deren Förderung am jetzigen Platz. Ja zu einem "Haus der Geschichte", aber an einem anderen, angemessenen Ort.

Der Autor ist Geiger, Musikwissenschaftler, em. Prof. der Musikhochschule Wien

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