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Wenn es für Medienpräsenz eine Goldmedaille gäbe, dann wäre Silvio Berlusconi fraglos ein ernsthafter Anwärter. Interessant ist, womit der italienische Premierminister in den Medien Aufsehen erregt – und welche Geschichten wie gespielt bzw. nicht gespielt werden. Die Scheidungsklage und der Rosenkrieg mit seiner Frau Veronica, die angeblich zwei Milliarden Euro fordert, die Affäre mit einem minderjährigen Mädchen, die Paparazzi-Fotos von den Feten, die auf seinem Landsitz in Sardinien gefeiert wurden, und die Prostituierte, die sich öffentlich über das Stehvermögen des 72-Jährigen ausließ, haben weltweit wohl für mehr süffisante Schlagzeilen gesorgt als der G8-Gipfel von Aquila.

Das Perfide ist indes, dass als Medienthema die privaten Schamlosigkeiten Berlusconis seinen nicht minder schamlosen Umgang mit der Macht zu verdrängen drohen: Missliebige Journalisten verlieren ihre Posten, Gesetze werden so zurechtgebogen, dass sie strafrechtliche Ermittlungen verunmöglichen, und Berlusconis Firmenimperium wird immer wieder vom Gesetzgeber bevorzugt.

Vom linken Lager wird der Cavaliere eifrig skandalisiert, aber diese Angriffe werden rechts der Mitte nicht aufgenommen, obschon das Maß längst übervoll ist und eigentlich gerade Konservative (einschließlich der katholischen Kirche) allen Grund hätten, zu Berlusconi auf Distanz zu gehen.

Unter italienischen Intellektuellen wird das alles verschämt als „italienische Anomalie“ umschrieben. Von außen betrachtet, ist das ein Euphemismus. Die Pressefreiheit ist seit Langem eingeschränkt. Auch die Bedrohungs-Szenarien der Mafia verfehlen ihre Wirkung auf Journalisten nicht, was die Fachzeitschrift Problemi dell’informazione soeben neuerlich in einem umfangreichen Sonderheft dokumentiert hat. Italien verliert immer mehr den Anschluss an Europa.

* Der Autor ist Kommunikationswissenschafter in Lugano/CH

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