Ja, das Studium der Witwe ist schwer …

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Die Volksoper zeigt Franz Lehárs "Lustige Witwe“ in einer betont seriösen Neuinszenierung Marco Arturo Marelli mit Daniel Schmutzhard als sympathisch-natürlichem Danilo.

Auch Welterfolge haben ihre Anlaufzeit. Mit dem Thema Wien-Paris hatte Richard Heuberger in seinem "Opernball“ schon einmal reüssiert. Warum sollte dies nicht eine Fortsetzung finden, etwa mit einem für Operettenzwecke adaptierten Libretto von Viktor Léon und Leon Stein nach Henri Meilhacs Komödie "L’attaché d’ambassade“? Rasch zeigte sich, dass man nicht zusammenkam. Also wandte man sich an Franz Lehár. Er nahm an und bescherte seinem Auftraggeber, dem Inhaber des Verlagshauses Doblinger, Bernhard Herzmansky, Tantiemen, wovon dieser bis dahin nur träumen konnte.

Wenn auch nicht von Beginn weg, denn bei der Premiere im Dezember 1905 im Theater an der Wien wurde die Novität nur freundlich aufgenommen. Erst als das Ensemble wenig später ins Kaiserjubiläums-Stadttheater, die heutige Volksoper, zu einem Gastspiel eingeladen wurde, sprang der Funke über, der seither nicht zu sprühen aufgehört hat.

Frei von Klamauk & Klischees

Allein am Währinger Gürtel wurde dieser Lehár an die neunhundertmal gegeben, davon in bisher sechs Neuproduktionen, die unterschiedlich glückten. Vor allem an der jüngsten vom Juni 2005 entzündete sich ziemliche Kritik. Was lag daher näher, es wiederum mit einer Neudeutung zu versuchen, vor allem aber einen Regisseur dafür einzuladen, der sich dieses Genre, die Operette, erst einmal erarbeiten muss? Denn, wie liest man bei Lehár: "Ein musikalischer Possenreisser möchte ich niemals sein. Mein Ziel ist es, die Operette zu veredeln.“

Genau dort setzt Marelli an: Nicht die Bedienung von Klischees, gar das Einbringen von Klamauk ist seine Sache, sondern die stets seriöse Nacherzählung der Story - im Wesentlichen die Geschichte zweier von Anfang an füreinander bestimmter, schließlich erst nach einigen Querelen zueinander kommender Menschen - Hanna Glawari und ihr "Danilo“, Graf Danilo Danilowitsch. So sehr hat ihn die erste Trennung von seiner Hanna getroffen, dass er fortan sein Vergessen im Maxim sucht, dabei als Diplomat beinahe die Staatsräson vergisst. Und Daniel Schmutzhard vermag diesen Part nicht nur sängerisch makellos zu gestalten, sondern auch mit einer sympathischen jugendlichen Offenheit. Bei Alexandra Reinprecht, die beim Premierenabend erst nach und nach in Fahrt kam, hätte man sich zuweilen ein selbstbewussteres, mehr einer Diva geschuldetes Auftreten gewünscht, ihre lustige Witwe muss noch reifen.

Auch die Volksoperndebütantin Sophie Marilley könnte als Valencienne ruhig mehr auf ihren Charme vertrauen, um ihren Rosillon, für den sich Mehrzad Montazeri nicht immer höhensicher, dafür äußerst engagiert ins Zeug legte, immer wieder für sich zu gewinnen. Dafür ließ Kurt Schreibmayer, stimmlich wie darstellerisch, keinen Zweifel, wie sehr der in Paris lebende pontevedrinische Gesandte Zeta schon in die Jahre gekommen ist. Der Herr des Hauses, Robert Meyer, der immer wieder mit dem Rad anreisen darf, hatte als Njegus zahlreiche Gelegenheiten, seine komödiantische Ader zu zeigen, was er gewohnt souverän nutzte. Gut, aber ohne weitere hervorstechende Persönlichkeiten das übrige Ensemble.

Marelli, der hier auch als Bühnenbildner agiert, lässt ganz im Stil der Zeit der Handlung in sehr praktikablen, vom Art déco inspirierten Kulissen spielen, die im Hintergrund daran erinnern, dass alles in Paris um 1905 spielt. Das schafft Atmosphäre, bietet den Ausführenden genügend Raum, sich zu entfalten, aber auch, um Pointen nicht zu kurz kommen zu lassen.

Mangelnde subtile Walzerseligkeit

Etwa, wenn die Grisetten einem überdimensionalen Zylinder entschlüpfen. Die von Renato Zanella, dem ehemaligen Ballettchef der Wiener Staatsoper, choreografierten Ballettszenen, könnten mehr auf die sonst dem Klamauk abholde Szenerie Rücksicht nehmen. Andrerseits würde man sich bei so manchem Sprechdialog mehr Tempo wünschen.

Und musikalisch? Henrik Nánási hat seine gut studierten Musiker fest im Griff, lässt kräftig aufspielen, will derart vorweg für Impulsivität und Dynamik sorgen. Die subtile Walzerseligkeit, mit der dieses Stück auch aufwartet, kommt damit nicht immer entsprechend zur Geltung.

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