Je länger, desto weniger

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Asketisch: "Ein Sommernachtstraum" von William Shakespeare am Theater in der Josefstadt.

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Asketisch: "Ein Sommernachtstraum" von William Shakespeare am Theater in der Josefstadt.

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D ie Stückezertrümmerer des modernen Regietheaters kommen nicht aus Polen. Streben nach Wahrhaftigkeit gehörte schon in den siebziger Jahren zu den herausragendsten Eigenschaften der Theaterlegende Jerzy Grotowski. Dass der Gedanke eines asketischen Theaters, die Vermeidung äußerlichen Illustrierens zugunsten eines Eindringens in seelische Wirklichkeiten nach wie vor präsent ist, hat zuletzt Krystian Lupa mit seiner Inszenierung von Fjodor M. Dostojewskijs Roman "Die Brüder Karamasow" bei den Wiener Festwochen bewiesen. Man konnte erahnen, wie William Shakespeares "Sommernachtstraum" im Theater in der Josefstadt aussehen würde. Grundlinien waren vorgegeben, denn inszeniert hat ein Landsmann.

So konventionell Janusz Kica die vielinterpretierte Komödie auch in Szene setzte, seine Intentionen bewegen sich in der erwähnten Tradition. Zunächst fehlt jegliche Regie-Eitelkeit. Es bieten sich weder opulente und süßliche Romantik noch ein wunderhübscher Feenreigen. Der Text wurde vorsichtig entschlackt, wenn auch vorwiegend in der romantischen Schlegel'schen Fassung belassen. Die Kostüme (Katharina Eberstein) sind zurückhaltend modern, von Titanias Hofstaat ist eine einzige Elfe übriggeblieben. Ruhig und klar setzt Kica die einzelnen Bilder, Kaspar Zwimpfers klug durchdachter Bühnenraum ermöglicht Zauberspiel auf allen Ebenen. Wie von Geisterhand fallen in Theseus' Palast Stellwände auseinander und geben den Blick frei auf die besiegte Amazonenkönigin (Sandra Cervik), Gefangene eines sich seiner Überlegenheit sehr bewussten und gönnerhaften Herrschers (Roland Jaeger).

Sehr stimmig baut sich die zauberhafte Atmosphäre im Geisterreich auf. Wände werden vorbeigeschoben, hinter ihnen und aus dem Boden tauchen die Figuren wie aus dem Nichts auf. Selbst der Schnürboden kommt zum Einsatz, wenn der glutrote Vorhang herabgesenkt wird um Titania (Petra Morze) eine sinnliche Schlafstatt zu bereiten. Auch Oberon (Stefan Matousch) gleitet an einem Seil hinunter, in der Hand jene Blume, die ihr den Esel als Ziel aller Leidenschaft erscheinen lässt.

Es sind einzelne, sehr einnehmende Regieeinfälle, die zeigen wohin Kica möchte. Sie werden, je mehr der Abend fortschreitet, weniger. Leerstellen entstehen und zuweilen gewinnt die gepflegte Rede überhand. Zum Beispiel wenn Titania und Oberon aufs Höflichste ihre Differenzen abwickeln. Oder es passiert das Gegenteil und das verwirrte Fangenspiel der verliebten Jugend (Daniel Christensen, Erich Altenkopf, Vivien Löschner, Anna Franziska Srna) im Zauberwald gerät tatsächlich zu einem solchen. Eine Ausnahme ist Srna, die als liebende Helena echten Schmerz und Betroffenheit sichtbar macht.

Den prägendsten Eindruck hinterlassen Boris Eder als Puck und Otto Schenk in der Rolle des Zettel. Eders Puck könnte einem überall begegnen. Ein Geschöpf in den Händen seines Herrn, dienend und sich leise aufbäumend, ausgestattet mit Lust am Schabernack hat dieser oft oberflächlich gezeigte Kobold vertraute menschliche Züge. Schenk ist gewissermaßen das Präsent der Aufführung, ein tolpatschiger, lieber Zettel und ebensolcher Esel. Natürlich dreht er auf und dilettiert als Pyramus zum Steinerweichen. Die Dankbarkeit des Publikums ist entsprechend groß. Überhaupt gehören die Handwerkerszenen (noch mit Andre Pohl, Martin Zauner, Alexander Waechter, Christian Futterknecht) zu den gelungensten Momenten in Kicas Inszenierung. So "hatschert" wie in dieser Truppe wurde schon lange nicht mehr musiziert.

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