Je weniger Praktiker, desto teurer das System

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Patienten mit chronischen, komplexen Krankheitsbildern "sind am besten bei ihrem Hausarzt aufgehoben“, weiß Agnes Streissler. Die Ökonomin bringt damit die Vielzahl an vorliegenden wissenschaftlichen Untersuchungen auf den Punkt, die einer guten medizinischen Primärversorgung einen großen volkswirtschaftlichen Nutzen attestieren. Unter Primärversorgung versteht man die medizinische Basisversorgung im Sinne einer umfassenden und dauerhaften Betreuung, wie sie in Österreich durch die niedergelassenen Hausärzte, die sogenannten praktischen Ärzte, garantiert wird.

Eine gut ausgebaute Primärversorgung habe positive Effekte auf den Gesundheitszustand der Bevölkerung und auf die Zahl der in Gesundheit verbrachten Lebensjahre. Sie führe zu weniger Krankenhausaufenthalten und zu einer geringeren Zahl überflüssiger medizinischer Maßnahmen, zählt Streissler auf. Einer Studie aus Großbritannien zufolge senkt ein zusätzlicher Allgemeinmediziner pro 10.000 Einwohner die Sterblichkeit und die Einweisungen in Krankenhäuser deutlich. Das bringt einen offensichtlichen Nutzen für die Bürger und für die klammen Staatssäckel: Würde man die Zahlen der genannten Studie auf Österreich umlegen, könnten durch 100 weitere niedergelassene Allgemeinmediziner rund 25.000 teure stationäre Aufenthalte vermieden werden.

Ambulanzen verteuern das System

Im Rahmen einer guten Primärversorgung werden gesundheitsfördernde Präventionsmaßnahmen rechtzeitig gesetzt und damit der Entstehung von chronischen Erkrankungen vorgebeugt. Die Kosten für das Gesundheitssystem werden auch dadurch gesenkt, dass Kranke dort landen, wo sie am besten versorgt werden können. "In Österreich werden bei gesundheitlichen Problemen oft teure Ambulanzen statt vergleichsweise kostengünstige niedergelassene Ärzten aufgesucht“, erläutert Streissler ein vor allem in Ballungszentren verbreitetes Problem. Eine Untersuchung in Vorarlberg hat zum Beispiel ergeben, dass 65 Prozent der Patienten, die in einer Krankenhausambulanz vorstellig wurden, besser bei einem niedergelassenen Arzt aufgehoben gewesen wären. Diese fehlgeleiteten Patientenströme kosten das Gesundheitssystem - vorsichtig geschätzt - nicht weniger als 335 Millionen Euro pro Jahr.

Voraussetzung dafür, dieses Einsparungspotenzial auszuschöpfen, ist freilich ein entsprechender Ausbau des niedergelassenen Bereichs. Derzeit passiert jedoch das Gegenteil: Laut einer aktuellen Analyse der Österreichischen Ärztekammer sank die Zahl der niedergelassenen Ärzte mit Kassenvertrag von 8491 im Jahr 2000 auf 7638 im Jahr 2010. (m. k.)

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