Jeder Zeit Ihre Helden

Werbung
Werbung
Werbung

Wie wäre die Welt ohne Heldinnen und Helden? Friedlicher? Ungerechter? Ärmer? Trostloser? Lebenswerter? Auf alle Fälle langweiliger wäre es ohne die, die zeigen, was Menschen im Guten wie im Bösen alles können.

Wenn Bert Brechts Wort stimmt: "Glücklich das Volk, das keine Helden braucht!", dann haben nur unglückliche Völker diese Erde bewohnt, denn Helden und Heldinnen brauchten alle:

Herakles ist der Beste zum Anfangen: Halb olympischer Gott, halb griechischer Mensch, ist ihm die Milchstraße zu verdanken: Er sog so fest an der Ammenbrust seiner Stiefmutter Hera, dass ihn diese wegstieß; die Muttermilch spritzte ins All und eine Galaxie entstand. Hera wird Herakles ein Leben lang verfolgen - der erste Familienheld.

Eine Volksheldin ist Judit, das weibliche Pendant zu David. Ihr Goliath heißt Holofernes, ein General, der das Volk Israel belagert. Die Männer wollen sich ergeben, doch die fromme Witwe geht ins Feindeslager, verführt den General mit Schönheit und Alkohol und schlägt ihm den Kopf ab. Literaten, Maler, Regisseure lieben diesen Plot.

Von Malern & Regisseuren geliebt

Das gilt für Gaius Julius Caesar und sein Ende noch mehr. Er ist Machtmensch, intellektueller und erotischer Held zugleich. Im Gegensatz zu den Galliern, Pompeius, Cato und Brutus lieben ihn die Lateinschüler späterer Jahrtausende für seinen Boulevardstil - der Tyrannenmord in den Iden des März ist deswegen ungerechtfertigt.

Ein sozialer Held ist Robin Hood - weshalb es ihn historisch in der überlieferten Form nie gegeben hat. Wer nimmt schon den Reichen und gibt den Armen, ohne an sich zu denken? Dafür ist Robin der erste Held mit Österreich-Bezug: Ohne ihn gäbe es kein Wiener Neustadt, und Richard Löwenherz wäre an der Donau geblieben und nicht über den Ärmelkanal heimgezogen.

Kanal ist das Stichwort für die nächste Heldin: Was Gott durch diesen getrennt hat, soll kein Hundertjähriger Krieg zusammenbringen, denkt sich Johanna von Orleans. Dieser Glaube zwingt sie in eine Rüstung, vor die Inquisition und auf den Scheiterhaufen. Verurteilt "wegen ihres Aberglaubens, ihrer Irrlehren und anderer Verbrechen gegen die göttliche Majestät". 500 Jahre später wird sie von oberster Instanz rehabilitiert und zur größten Heiligen der "Grande Nation".

Als Flugzeugingenieur hoch hinaus will auch Erwin Rommel; sein Vater lässt ihn nur zwischen dem Lehrerberuf und einer Offizierslaufbahn wählen. Der Erste Weltkrieg macht ihn zum Helden; im Zweiten Weltkrieg ist er der militärische Superstar bei Führer, Freund und Feind. Churchill lässt den "Wüstenfuchs" für seine Ritterlichkeit grüßen. Auf diese setzen auch die Hitler-Attentäter vom 20. Juli - ein solcher Held kann und will Rommel jedoch nicht sein. Trotzdem fällt er in Ungnade und wird zum Selbstmord gezwungen.

Von den Nazi-Schergen enthauptet werden Sophie Scholl, ihr Bruder und andere Mitglieder der Widerstandsgruppe "Die Weiße Rose". Dem NS-Unrechtsgericht hält sie entgegen: "Einer muss ja doch schließlich damit anfangen. Was wir sagten und schrieben, denken ja so viele. Nur wagen sie nicht, es auszusprechen." Eine Heldin getreu ihrem Motto "mit hartem Geist und weichem Herz".

Was mag in den Köpfen und Herzen japanischer Kamikaze auf ihren Todesflügen vorgegangen sein? Die Idee, als fliegende Selbstmordattentäter den Feind zu überraschen, findet mit 9/11 eine dramatische Neuauflage. Zu ebener Erde gibt es in Bagdad, Kabul, Tel Aviv … die Fortsetzung dieser Kategorie der missbrauchten Helden.

Afrikas Gandhi & Burmas Ikone

Nelson Mandela ist Afrikas Gandhi. Weder Rassenhass noch Einzelhaft können seinen Glauben an eine strahlende Zukunft für den schwarzen Kontinent brechen. Die "Regenbogennation" ist sein Vermächtnis und mit "Madiba" (Vater) hat er den schönsten Heldentitel.

Massenmörder, Dschihadist, Terror-Drahtzieher, Stratege, Networker, Sponsor, Islamistenführer, Gotteskrieger, Kapitalismuskritiker, US-Hasser … Osama bin Laden ist der Held einer anderen Welt.

Aung San Suu Kyis Vater ist der ermordete Nationalheld Burmas. 1988 geht sie in ihre Heimat zurück, um die kranke Mutter zu pflegen. 20 Jahre unter Hausarrest folgen und aus der Krankenpflegerin wird die Symbolfigur der burmesischen Demokratiebewegung.

Wie glücklich dürfen sich dagegen die Völker schätzen, die Helden wie Paul Potts haben. Eine Puccini-Arie und die Märchenmaschine Fernsehen genügen - und schon ist er fertig: ein Held wie du und ich.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung