Jenseits aller hohlen Konventionen schweben

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Maurice Shadbolt erzählt von Abenteurern, Phantasten und Aussteigern in Neuseeland.

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Maurice Shadbolt erzählt von Abenteurern, Phantasten und Aussteigern in Neuseeland.

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Nicht nur geographisch ist Neuseeland von Europa weit entfernt. Ganz selten ist man mit politischen oder wirtschaftlichen Neuigkeiten aus dem für uns exotischen Land konfrontiert. Die Lektüre des Romans von Maurice Shadbolt "Mr. Dove über den Wassern" bringt das moderne Neuseeland ebenso ins Bewußtsein wie seine jüngere, komplizierte Vielvölker-Geschichte, die der Autor anhand der Lebensbilder einiger gesellschaftlicher Außenseiter kunstvoll aufrollt.

Da ist Alice, die über neunzigjährige Anwältin, die dem Autor aus ihrem Leben mehr verschweigt als erzählt und doch viele Fährten legt, die ihn auf die Spuren der neuseeländischen Geschichte bringen. Mr. Dove war als ihr Chef ein Anwalt von tadellosem Ruf, bevor er still und heimlich seinen Lebenstraum verwirklichte. Mit einem Boot fährt er um die Welt, auch wenn er schon nach einigen Meilen in einer verlassenen Bucht strandet. Die Malerin Rose lebt mit ihrem schon vor Jahrzehnten verschwundenen Ehemann Pierre in trauter Zweisamkeit, es ist ihr unmöglich, seinen Verlust zur Kenntnis zu nehmen. Der Abenteurer und Balladensänger Jim Bird erobert nach Irr- und Umwegen seine große Liebe Laurel und lebt mit ihr 40 Jahre in völliger Abgeschiedenheit, und der Vogelkundler Bandy Higgs ist auf der Suche nach dem Huia, dem einst heiligsten Vogel der Maori, der längst als ausgestorben gilt. Auch Mad Matt, ein ungerechtfertigt von der Polizei gesuchter Maori, kreuzt die Wege der Aussteiger und Außenseiter auf wundersame Weise, so daß die vielen von Alice gelegten Spuren schließlich zusammenführen.

Der neuseeländische Autor hat aus den vielen Lebensfäden ein buntes, plastisches Bild gewebt und eine Liebeserklärung an sein Heimatland verfaßt. Gleichzeitig sind Land und Leute gar nicht exotisch, letztere könnten überall auf der Welt leben, und sie stellen sich dem klassischen Kampf zwischen Pflicht und Neigung auf unkonventionelle Art. Indem sie selbst in größten äußeren Schwierigkeiten ihrer inneren Stimme folgen, werden sie zwar als Spinner oder Verrückte angesehen, doch der innere Reichtum ihres Lebens, das aus Phantasie, Liebe und Lebensträumen genährt wird, überschattet bei weitem die äußerliche Kargheit. Es wird deutlich, daß all diese in irgendeiner Weise künstlerischen Menschen das Gedächtnis ihres Landes sind. Sie interessieren sich für seine Geschichte und erzählen, malen oder formen Geschichten. Sie versuchen im Einklang mit der Natur und Kultur zu leben, ohne beides zu zerstören, während viele Erfolgreiche, Selbstgerechte über beides und über das Land hinwegtrampeln.

Die Kunstfertigkeit, mit der es dem Autor gelingt, sich selbst und seine ebenfalls unkonventionelle Liebe zur uralten Alice als silbernen Faden in die Geschichte hineinzuweben, zeugt von seinem großen erzählerischen Können. Dieser zarte, verträumte und doch kraftvolle Roman verdient es, auch bei uns viele Leserinnen und Leser zu finden.

Mr Dove über den Wassern Roman von Maurice Shadbolt; aus dem Englischen von Christiane Seiler, Alexander Fest Verlag, Berlin 1998, 235 Seiten, geb., öS 291,- ..

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