"Jetzt bewegt sich einiges!"

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2003 wird Graz Kulturhauptstadt Europas. Für Waltraud Klasnic ein großer Motivationsschub, der Graz wieder an die kulturelle Spitze führen soll.

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2003 wird Graz Kulturhauptstadt Europas. Für Waltraud Klasnic ein großer Motivationsschub, der Graz wieder an die kulturelle Spitze führen soll.

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dieFurche: Was prädestiniert eigentlich Graz dafür, Europas Kulturhauptstadt 2003 zu sein?

Waltraud Klasnic: Graz ist einfach eine Kulturstadt. Wer durch Graz geht atmet Kultur: es sind die Bauten, es sind die Veranstaltungen, es ist aber auch das Wesen der Menschen. Die Steirer mögen die Tracht genauso gern wie ein modernes Äußeres. Das Bodenständige und die Avantgarde - beides wird hier gelebt. Wir sind eine Mischung zwischen internationaler Großstadt und das Lebensgefühl betonender Kleinstadt.

dieFurche: Beschreiben Sie da nicht eine bessere Vergangenheit. Jetzt werden doch jene Stimmen lauter, die beklagen, daß Graz immer mehr zur provinziellen Kleinstadt verkomme ...

Klasnic: Nein, das stimmt sicherlich nicht. In Graz läßt es sich leben. Ich würde das jedem gönnen. Man hat einfach das Gefühl, die ganze Innenstadt pulsiert. Landtagspräsident Hanns Koren, der ein Kulturpolitiker ganz großen Formats war, hatte dafür eine sehr gute Formulierung: Graz ist so klein, daß ich fast jeden kenne, aber Graz ist auch so groß, daß ich nicht jedem jeden Tag begegne.

dieFurche: Wie ist es dazu gekommen, daß gerade Graz für 2003 ausgewählt wurde?

Klasnic: Graz war bereits 1993 - also zu einer Zeit, als wir noch gar nicht in der Europäischen Union waren - Veranstalter des Europäischen Kultur-monats. Ausschlaggebend für die Entscheidung war wohl, daß wir Europas Tor Richtung Südosten sind. Das ist eine Stärke von Graz und der Steiermark. Es bestanden immer - auch in Zeiten wo uns die Grenze zwischen West und Ost trennte - die besten Kontakte in diesen Raum. Wir waren in einer Mittlerrolle, und die wollen wir behalten. Dieser Aspekt wird 2003 natürlich eine große Rolle spielen.

Das Besondere daran ist aber, daß Graz die erste österreichische Kulturhauptstadt Europas ist, seit 1985 mit dieser Auswahl begonnen wurde. Und eine weitere Besonderheit ist, daß für 2003 nur eine Stadt europaweit nominiert wurde, und das ist Graz.

dieFurche: Gibt es schon konkrete Programmpunkte? Wie will sich Graz präsentieren?

Klasnic: Der Vorschlagkatalog, an dessen Umsetzung gearbeitet wird, ist lang: Schloß Eggenberg soll als Ort präsentiert werden, der die steirische Tradition widerspiegelt. Geplant ist, den Grazer Hauptplatz umzubauen, damit dieses Zentrum neu gestärkt und belebt wird. Eine sogenannte Graz-Pyramide ist als Erlebnistempel konzipiert, in dem man die Stadtgeschichte Revue passieren läßt.

Auch die Mur wird in Kunstprojekte eingebunden sein. Bahnhof, Flughafen, die Ein- und Ausfahrtsstraßen sind als Bühne für prominente Künstler gedacht. Weitere Schwerpunkte zu den Bereichen Musik und Religion sind geplant.

dieFurche: Es hat 15 Jahre gedauert, bis in Graz ein politischer Konsens zum Bau des Kunsthauses gefunden wurde. Was macht Sie so optimistisch, daß diese vielen Projekte in doch relativ kurzer Zeit umgesetzt werden können?

Klasnic: Ich bin jemand, der nicht zurückschaut auf Dinge, die geschehen sind. Sondern wir wollen ein Kunsthaus, und wir haben jetzt einen Standort. Wir brauchen auch eine Stadthalle in Graz, und der Hauptplatz muß neu gestaltet werden. Ich sage ganz ehrlich, ich habe das Gefühl, daß sich jetzt Einiges bewegt und daß wir auf einem guten Weg sind. Und, es gibt immer Phasen der Diskussion. Ich wünsche mir halt, daß jene die diskutieren, auch produktive Vorschläge einbringen.

dieFurche: Das bedeutet, daß in der Vergangenheit vor allem unproduktive Vorschläge gemacht wurden?

Klasnic: Na ja, wissen Sie, Leute, die kritisieren und vielleicht wohl Vorschläge machen, vergessen, daß die Vorschläge dann ja auch umsetzbar und realisierbar sein müssen. Und die verschiedenen Projekte müssen mit dem Flächenwidmungsplan vereinbar sein. Da spielen einfach viele oft ganz praktische Dinge eine große Rolle. Aber über die Diskussionsphase sind wir jetzt hinweg.

dieFurche: War der nahe Horizont 2003 der entscheidende Motor für einen neuen Aufbruch?

Klasnic: Das ist eigentlich ganz einfach, das ist wie in der Familie: Wenn ich weiß, ich habe im Jahr 2003 die Möglichkeit auf diesem Grundstück in ein Haus einzuziehen, dann ist das für mich Motivation dieses Haus zu bauen. Und natürlich macht man sich dann intensive Gedanken darüber, wie es ausschauen soll. Natürlich hat die Perspektive, daß Graz Kulturhauptstadt sein wird etwas entzündet. Das motiviert ungemein. Jetzt haben wir das Grundstück, und jetzt wissen wir, daß wir das wollen. Dieser Schritt ist gegangen. Aber Kulturstadt wird man nicht, wenn man nur 2003 Kultur bietet: Graz ist Kulturstadt, heute, morgen, 2003 und auch 2010!

dieFurche: Wir reden über die Kulturhauptstadt Graz. Wie sind die Aufgaben und Kompetenzen zwischen Stadt und Land verteilt?

Klasnic: Bund, Land und Stadt haben sich für die Ausrichtung der Kulturhauptstadt verantwortlich erklärt. Das heißt, auch in der Finanzierung wird es so etwas wie eine gemeinsame Verantwortung geben. Die Hauptgestaltungsverantwortung für manche Bereiche wird sich die Stadt nicht nehmen lassen.

Doch in einem Bundesland, wo die Landeshauptstadt ein integrierter Teil dieses Landes ist, ist die Errichtung und die Möglichkeit der Nutzung von Kulturstätten sicherlich eine gemeinsame Aufgabe.

dieFurche: Steht die Bevölkerung hinter den Projekten zur Kulturhauptstadt? Werden die Investitionen in viele Bereiche moderner Kunst akzeptiert?

Klasnic: Ich finde, daß die Menschen in unserem Lande und nicht nur in der Stadt fortschrittlich sind. Die Menschen sind stolz, wenn sich etwas bewegt und wenn viele Künstler und Kunstinteressierte herkommen. Nur ein Beispiel dafür ist die "styriarte".

Eine andere Sache ist, und da lege ich selber sehr viel Wert darauf, daß junge moderne Künstler - aus der Malerei, dem Skulpturbereich oder aus der Musik - einfach Möglichkeiten brauchen, wo sie sich vorstellen können. Dafür muß im Interesse des ganzen Landes gesorgt werden.

dieFurche: Was ist dabei die Aufgabe der Politik? Beschränkt sich die auf die Rolle des Geldgebers ...

Klasnic: Als Landeshauptmann fühle ich mich auch verantwortlich für das, was im Land in kultureller Hinsicht passiert. Ich suche den Zugang zu Künstlern und das Gespräch mit Kulturschaffenden. Meine Aufgabe beschränkt sich dann vor allem darauf, Künstler und Wirtschaftstreibende zusammmenzubringen, und so Netzwerke zu knüpfen, mit denen beiden Seiten geholfen ist.

Das Gespräch führte Wolfgang Machreich

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