Journalisten als "Unternehmer“

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I n Amerika beflügelt seit geraumer Zeit eine neue Wortkombination die Diskussion um die Zukunft des Journalismus: "Entrepreneurial journalism“. Die Befürworter eines solchen "unternehmerischen“ Journalismus haben zwar noch nicht die Geschäftsidee entdeckt, welche den Qualitätsjournalismus neu erblühen lassen könnte. Das Catchword taugt eher als Wegweiser, den Journalisten künftig nicht übersehen sollten: Der Beruf muss sich "neu erfinden“, also lernen, unternehmerisch zu denken und sich mit den wirtschaftlichen Realitäten des Publizierens auseinanderzusetzen.

Taktgeber sind in den USA Stiftungen wie die John S. and James L. Knight Foundation sowie bekannte "Gurus“ des Online-Journalismus, darunter Dan Gillmor, Jeff Jarvis und Jay Rosen. Letzterer erklärt schon seit Jahren seinen Studierenden, es gebe keinen"Big Daddy “ mehr - sprich, keinen patriarchalischen Verleger, der sie durchfüttern werde. Viele Ausbildungsstätten in den USA stellen sich inzwischen der Herausforderung, die Journalismus-Krise überwinden zu helfen. Bleibt abzuwarten, wie lange es dauert, bis der amerikanische Funke auf Eu-ropa überspringt.

Womöglich ist allerdings "unternehmerischer Journalismus“ auch Camouflage - eine wohlklingende Umschreibung von Selbstausbeutung. Es könnte sein, dass Journalisten ihre "unternehmerischen“ Talente künftig vor allem im Non-Profit-Sektor austesten müssen, und zwar, um Mäzene zur Förderung jenes hochwertigen Journalismus zu bewegen, der sich online bisher weder durch Werbung noch durch Abos finanzieren lässt. Die neuen Journalisten würden dann Fundraiser werden - oder, um es entwürdigender auf Deutsch zu sagen, Leute, die sich ihr täglich Brot zusammenbetteln müssen. Mit allen gar nicht so neuen Problemen der Käuflichkeit, die sich daraus für eine "unabhängige“ Berichterstattung ergeben.

* Der Autor ist Medienwissenschafter an der Uni Lugano/CH

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