Jüdische Theologie aufgewertet

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An der Universität Potsdam wird mit Herbst 2013 die neue "School for Jewish Theology“ etabliert. Erstmals im deutschsprachigen Raum wird damit eine Rabbiner-Ausbildung auf Universitätsebene ermöglicht.

Wenn in den nächsten Wochen an der Universität Potsdam Professuren für "Bibel und Jüdische Bibelauslegung“ oder für "Jüdische Liturgie und Ritualvergleich“ ausgeschrieben werden, dann ist das eine Premiere für den gesamten deutschsprachigen Raum. An der Philosophischen Fakultät der Universität soll nämlich ab dem Wintersemester die neue "School for Jewish Theology“ ihre Arbeit aufnehmen. Künftig sollen dort liberale und konservative Rabbiner für ganz Europa ausgebildet werden. Der Gründung der neuen Ins-titution war allerdings ein steiniger Weg vorausgegangen.

Die endgültige Weichenstellung für die "School for Jewish Theology“ erfolgte am 20. März im brandenburgischen Landtag. Dieser segnete eine Änderung des Hochschulgesetzes ab, die konfessionsgebundene Professuren erlaubt. Das war bisher nicht möglich, auch christlich-theologische Fakultäten gibt es bis dato in Brandenburg nicht.

Theologie an die Universitäten

Dass sich das jetzt mit der jüdischen Theologie ändern wird, geht auf die Beschäftigung des deutschen Wissenschaftsrates mit der Theologie im Allgemeinen zurück. Der Wissenschaftsrat hat in den Jahren 2008 bis 2010 "Empfehlungen zur Weiterentwicklung von Theologien und religionsbezogenen Wissenschaften an deutschen Hochschulen“ erarbeitet und sich im Zuge dessen auch mit dem generellen Verhältnis der staatlichen Hochschulen zu theologischen Studien beschäftigt.

Weiterhin sollte das staatliche Hochschulsystem der zentrale Ort der Theologien sein, stellte der Wissenschaftsrat fest. Wenn aber die Theologie einen Platz an öffentlichen Universitäten hat, dann nicht bloß die christliche, so die Schlussfolgerung. So wurden die ersten islamisch-theologischen Zentren an deutschen Universitäten ins Leben gerufen, und auch die jüdische Community ließ eine Forderung, die eigentlich schon viel älter ist, wieder aufleben.

Schon Abraham Geiger, ein wichtiger Vordenker des liberalen Judentums, forderte im Jahr 1836 eine jüdisch-theologische Fakultät in Deutschland. Die erste Ausbildungsstelle für liberale Rabbiner auf deutschem Boden, die 1999 in Potsdam gegründet wurde, nannte sich deshalb Abraham Geiger Kolleg. Der Rektor, Rabbiner Walter Homolka, war es auch, der die Einrichtung der jüdischen Theologie auf Universitätsebene maßgeblich vorangetrieben hat.

In Bezug auf die geplante "School for Jewish Theology“ spricht Homolka gegenüber der FURCHE von einer "dramatischen Veränderung vom Gast zum Hausherrn“. Seit 2001 wurde das Abraham Geiger Kolleg als so genanntes An-Institut der Universität Potsdam geführt. Die Studierenden konnten das Angebot der "jüdischen Studien“ der Universität nutzen, für eine Rabbiner-Ausbildung reichte das allerdings angesichts der kulturwissenschaftlichen Ausrichtung dieses Studienzweigs auf Dauer nicht. Das Kolleg musste diese Defizite ausgleichen.

Künftig wird der akademische Teil der Rabbiner-Ausbildung völlig an der Universität stattfinden, während das Kolleg nur noch die praktische Ausbildung übernimmt. "Das Verhältnis wird dann vergleichbar sein mit dem in der katholischen Kirche zwischen Universität und Priesterseminar“, so Homolka. Gleiches gilt auch für ein weiteres Rabbinerseminar, das "Zacharias Frankel College“, das ab dem Sommersemester 2014 ebenfalls in Potsdam konservative Rabbiner ausbilden wird. Das konservative Judentum, entstanden im 19. Jahrhundert, teilt grundsätzlich die Reformanliegen des liberalen Judentums, in einigen wesentlichen Punkten gingen Konservativen die Reformen allerdings zu weit - vor allem bei Ritualgesetz und den Ehe- und Ehescheidungsgesetzen. Sowohl im liberalen als auch im konservativen Judentum steht das Rabbineramt auch Frauen offen.

Die jüdische Orthodoxie sei zwar eingeladen worden, sich ebenfalls zu engagieren, sagt Homolka auf Nachfrage. "Aber das orthodoxe Judentum ist nicht universitär ausgerichtet, sondern bildet an einem eigenen Rabbinerseminar in Berlin aus. Eine orthodoxe Ausbildung ist nicht primär am his-torisch-kritischen Zugang orientiert, insofern hat die Orthodoxie kein Interesse an einer solchen universitären Anbindung.“ Stattdessen kooperiere man mit dem Studiengang "Jüdische Sozialarbeit“ der Fachhochschule Erfurt.

Eine klare Aufwertung

Von einer bloßen Umschichtung der akademischen Komponenten von den Rabbinerseminaren an die Universität will Homolka aber nicht sprechen. Denn gleichzeitig würden die bestehenden Angebote deutlich erweitert: "Vorher gab es da vielleicht einen Lehrbeauftragten, der einen Kurs angeboten hat“, so Homolka, "zukünftig wird es einen Lehrstuhl-Inhaber auf Ordinarius-Ebene geben, der das jeweilige Fach mit seinen wissenschaftlichen Mitarbeitern in Forschung und Lehre vertritt. Das ist ein gewaltiger Unterschied.“

Dass dies möglich wurde, sei auch der ehemaligen deutschen Bildungsministerin Annette Schavan zu verdanken, sagt Homolka. Sie habe nach den Empfehlungen des Wissenschaftsrates ein klares Bekenntnis zur jüdischen Theologie ausgesprochen, Anschubfinanzierung genehmigt und damit den Weg für die "School for Jewish Theology“ geebnet. Dafür wurde sie kürzlich auch mit dem Abraham-Geiger-Preis ausgezeichnet.

Zusätzliche Kantorenausbildung

Neben "Bibel und Jüdische Bibelauslegung“ und "Jüdische Liturgie und Ritualvergleich“ wird es an der "School of Jewish Theology“ auch Lehrstühle für "Talmud und Rabbinische Liturgie“, "Jüdische Religions- und Geistesgeschichte“, "Jüdisches Recht“, "Religionspädagogik“, "Religionsphilosophie des Altertums und Mittelalters“ sowie "Religionsphilosophie der Neuzeit und jüdische Denominationen“ geben. An der Musikhochschule Weimar, mit der eine Kooperation ausverhandelt werden konnte, wird es ab Sommersemester 2013 - vor allem für die Kantoren-Ausbildung - einen Lehrstuhl für "Geschichte der jüdischen Musik“ geben.

Die ersten Absolventen nach neuer Studienordnung werden, so Homolka, 2018 ihre Ausbildung abschließen: "Wir bilden aber schon jetzt für ganz Europa aus, auch für Lateinamerika und Südafrika. Da die Ausbildung in Deutschland frei von Studiengebühren ist, rechnen wir mit wachsenden Studierendenzahlen aus dem Ausland. Die Nachfrage jüdischer Gemeinden wird dabei stets das Angebot an Absolventen übersteigen.“

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