Lichterfest - © Istockphoto

Jüdisches Chanukka und christliches Weihnachten: Gemeinsamkeiten und Unterschiede

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Gemeinsamkeiten beim Brauchtum rund um diese Feste scheinen zu belegen, dass sie einander gleichen. In der Substanz unterscheiden sie sich aber grundlegend.

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Gemeinsamkeiten beim Brauchtum rund um diese Feste scheinen zu belegen, dass sie einander gleichen. In der Substanz unterscheiden sie sich aber grundlegend.

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Das jüdische Chanukka-Fest fällt in diesem Jahr in die gleiche Zeit wie das nach dem gregorianischen Kalender gefeierte Weihnachtsfest: Man feiert es in diesem Jahr heuer vom 22. bis zum 29. Dezember. Gerade weil es immer wieder Tendenzen gibt, dieses jüdische Tempelweihfest in einen ursächlichen Zusammenhang mit dem Weihnachtsfest zu bringen, eignet sich das Zusammentreffen der beiden Feste in diesem Jahr, um dieser Frage nachzugehen.

Dass dies auch die Problematik der Inkulturation von religiösen Festen berührt, die ja gerade beim Weihnachtsfest immer wieder kontrovers diskutiert wird, ist nicht von Nachteil. Schließlich ist die umstrittene Hypothese einer Beeinflussung durch ein heidnisches Sonnwendfest weit verbreitet.

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Das Chanukka-Fest, das dieser Tage gefeiert wird, gedenkt der Wiedereinweihung des Jerusalemer Tempels unter Judas Makkabäus im Jahr 165 vor Christus. Die damit zusammenhängenden Ereignisse lassen sich kurz zusammenfassen:

Im Jahr 168 vor Christus ließ der seleukidische Herrscher Antiochus IV. Epiphanes, zu dessen Einflussbereich auch das Heilige Land gehörte, im Rahmen seiner Religionsgesetze, die eine Angleichung der Juden an die griechische Lebensweise zum Ziel hatten, den Brandopferaltar im Tempel zu einem Altar für den griechischen Gott Zeus, den Herrscher des Olymp, umbauen (vgl. dazu die Berichte in den Makkabäerbüchern, 1 Makk 1,54 und 2 Makk 6,2).

Das offensichtliche Ziel seiner Religionspolitik war, über eine religiöse Vereinheitlichung des Herrschaftsgebietes aus den verschiedenen Völkern ein Volk zu schaffen.

Flavius Josephus bezeichnet Chanukka als „Lichterfest“. Eine identische Bezeichnung findet sich später fürs christliche Fest des 6. Jänner.

So wurden zuerst jüdische Sitten und Bräuche unterbunden, die Weihe des jüdischen Tempels an den Gott Zeus sollte letztlich den krönenden Abschluss der vermeintlichen Integrationspolitik bilden. Ein Abschluss war es auch tatsächlich, jedoch ein katastrophaler und kein triumphaler: In der Folge der Entweihung des Tempels kam es zu blutigen Aufständen, von denen die Makkabäerbücher berichten. Im Jahr 165 vor Christus konnte dann der jüdische Tempel wieder eingeweiht werden: Die heidnischen Elemente waren nach den siegreichen Kämpfen zerstört und ein neuer Brandopferalter errichtet worden.

Dieser Tempelweihe gedenkt das jüdische Chanukka-Fest noch heute, wenn es vom 25. des jüdischen Monats Kislew bis zum 3. Tebet gefeiert wird. Bereits zur Zeit Jesu war das Fest offenkundig verbreitet, im Neuen Testament findet sich eine einzige Erwähnung, es handelt sich dabei um eine Zeitangabe im Johannesevangelium (Joh 10,22).

Es gibt nun eine Reihe von Elementen, die es möglich machen, auf eine Nähe zwischen dem jüdischen und dem christlichen Fest hinzuweisen. Bei beiden Festen spielt die Lichtsymbolik eine große Rolle, bereits in den ersten Weihnachtspredigten findet sich die Rede von der "neuen Sonne" die zusammen mit dem Prophetenwort aus dem Buch Maleachi (3,20) von der "Sonne der Gerechtigkeit" auf Christus hin gedeutet werden:

Dieser, so liest man in vielen Predigten aus dieser Zeit, ist die wahre Sonne der Gerechtigkeit. Im Johannesevangelium spricht Johannes der Täufer (Joh 3, 30): "Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen." Dies wird mit der Sonnensymbolik verbunden, die ja, beginnend mit der Wintersonnenwende, wieder zunimmt, während sie von der Sommersonnenwende an abnimmt und das Fest des Johannes der Täufer wird ja am 24. Juni gefeiert.

Doch auch das Chanukka-Fest besitzt eine Lichtsymbolik. Nach den Makkabäerbüchern ist die Wiedereinweihung des Tempels mit einem Wunder (2 Makk 1,19) verbunden. Die Wiedereinweihung fand am 25. Kislew, dem Jahrestag der Entweihung, statt und das Fest wurde in seiner Dauer dem ebenfalls acht Tage dauernden Laubhüttenfest angeglichen (2 Makk 10,5).

Nach der Überlieferung des Talmud fand sich zum Zeitpunkt der Wiedereinweihung des Tempels ein einziger Krug geweihtes Öl, der nur noch für einen Tag gereicht hätte. Auf wunderbare Weise reichte dieses Öl jedoch aus, dass der Leuchter im wieder eingeweihten Tempel acht Tage lang brannte. So lange dauerte es, neues geweihtes Öl herzustellen und der Leuchter im Tempel sollte ja nicht wieder erlöschen. Seit dem Mittelalter ist ein achtarmiger Leuchter bezeugt, dessen Lichter der Reihe nach während der einzelnen Tage dieses Festes am Abend entzündet werden.

Chanukka: Seit dem Mittelalter ist ein achtarmiger Leuchter bezeugt, dessen Lichter der Reihe nach während der einzelnen Tage des Festes am Abend entzündet werden.

Eine kleine Flamme, die nicht zu den acht Lichtern des Leuchters gezählt wird "Diener" genannt, dient zum Entzünden der Lichter des Leuchters. Flavius Josephus nennt im ersten nachchristlichen Jahrhundert dieses Fest "Lichterfest". Eine identische Bezeichnung begegnet im vierten Jahrhundert für das christliche Fest des 6. Jänner, das in den Anfängen der Geburt Christi gedachte: Gregor von Nazianz hält in Konstantinopel am 6. Jänner des Jahres 380 oder 381 eine Predigt auf das Fest "die Lichter". Das jüdische Chanukka-Fest hat einen starken Familienbezug und es findet sich die Tradition, an diesem Tag Geschenke zu machen.

Licht, Familienfeier, Geschenke

Alle diese Elemente, Licht, Familienfeier und Geschenke, machen es natürlich möglich, eine Verbindung zwischen beiden Festen zu konstruieren. Gleichzeitig würde dies auch das Weihnachtsfest aus der vermeintlichen Nähe zu einem Sonnwendfest in die jüdisch-christliche Tradition heimholen. Nun, aus historischer Sicht ist dies nicht möglich, das Weihnachtsfest markiert eindeutig einen wichtigen Schritt der Lösung des Christentums von seinen jüdischen Wurzeln.

Das Osterfest und die damit verbundenen Feste können ihre Herkunft aus dem jüdischen Festkalender nicht verleugnen: Sie zeigen sich eindeutig vom jüdischen luni-solaren Kalender beeinflusst und haben keinen festen Platz im gregorianischen oder damals noch julianischen Kalender, der ein rein solarer Kalender ist, auf den der Mond keinen Einfluss ausübt, die jüdischen Monate hingegen sind Mond-Monate, die nur immer wieder neu durch den Sonnenzyklus korrigiert werden.

Und so schwanken die jüdischen Feste gegenüber unserem solaren Kalender, dies gilt selbstverständlich auch für das Chanukka-Fest, dies gilt jedoch gerade nicht für das Weihnachtsfest im Gegensatz zu Ostern. Bereits dieser Unterschied zeigt sehr deutlich den großen Abstand, der zwischen dem jüdischen und dem christlichen Fest liegt.

Dieser Eindruck verstärkt sich durch die Entstehungszeit des Weihnachtsfestes, das man im vierten Jahrhundert zu feiern begann. Auch der zeitliche Abstand zwischen der Frühzeit des Christentums und dem Erscheinen des Festes spricht gegen jüdische Wurzeln.

Kulturelle Einflüsse

Und doch liegt es nahe, dass sich beide Feste beeinflusst haben. Gerade die kulturellen Elemente, die sehr spät im Laufe von Jahrhunderten, um nicht zu sagen Jahrtausenden erst in beiden Feiern Einzug gehalten haben, Familienfest und Geschenke legen einen gewissen Einfluss der gesellschaftlichen Ausgestaltung des christlichen Festes auf die Bräuche des jüdischen Festes nahe.

Gleichzeitig zeigt sich bei dem Verhältnis der beiden Feste sehr deutlich, wie Inkulturation abläuft: In einer Situation, wo man um gesellschaftliche Harmonie bemüht war, vor allem im 19. Jahrhundert, können kulturelle Elemente des Festes, das von der Mehrheit der Gesellschaft gefeiert wird, ein Fest einer Minderheit in seiner gesellschaftlichen Ausprägung mitgestalten. Ein bestehendes Fest kann also je nach gesellschaftlicher Situation in seiner Ausgestaltung bis zu einem gewissen Grad beeinflusst werden.

Dies dürfte durch die reformatorische Kritik am angeblich heidnisch beeinflussten Weihnachtsfest, das zeitweise in England und der Schweiz außer Gebrauch kam, sicherlich noch erleichtert worden sein: Sie machte den Weg dafür frei, dass das Weihnachtsfest zu einem eher kulturell geprägten Fest werden konnte, das Verblassen des religiösen Charakters erleichterte den kulturellen Einfluss. Und dieser wird so weit wahrgenommen, dass vor einigen Jahren für eine Ausstellung in Berlin zu diesem Thema der Titel "Weihnukka" gewählt wurde. Beide Feste bestanden, sie konnten sich allerdings gegenseitig beeinflussen.

Keine Verwandtschaft zwischen den Festen

Und so hat das Weihnachtsfest sicherlich auch im Lauf der Jahrhunderte zahlreiche kulturelle Elemente in sich aufgenommen, seine ursprüngliche Entstehung kann jedoch rein kultureller Einfluss nicht erklären. Auch war ein angeblicher kultureller Einfluss, gerade in den ersten Jahrhunderten, nur sehr selten Thema der Predigten. Dies begegnet erst Jahrhunderte später im Rahmen konfessioneller Polemiken.

Der Autor ist Gastforscher - gefördert vom Wissenschaftsfonds (FWF) - in der Papyrussammlung der Österr. Nationalbibliothek.

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