Jugendliche im Bann

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Ein Mysterienspiel zum 1.200jährigen Bestehen der Erzdiözese bewegt die Mitwirkenden.

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Ein Mysterienspiel zum 1.200jährigen Bestehen der Erzdiözese bewegt die Mitwirkenden.

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Ich war erst vor kurzem bei einer Taufe. In der Heiligen-Litanei wurden auch Rupert und Virgil angerufen. Das waren früher nur Namen, jetzt sind sie zu Personen geworden und haben eine Bedeutung für mich." - Christine, Schülerin der "Privatbildungsanstalt für Kindergartenpädagogik der Schulschwestern" in Salzburg, ist eine der Darstellerinnen im Mysterienspiel "Salzburg - SALZUHR Europas" zur 1.200-Jahr-Feier der Erzdiözese. - Die Furche sprach, übrigens am 20. April, genau 1.200 Jahre nach der Erhebung Salzburgs zum Erzbistum, mit einigen der insgesamt 135 Mitwirkenden über die Bedeutung der Geschichte für die Gegenwart, über die Erfahrungen im Umgang mit der eigenen Vergangenheit, über die Zukunft der Kirche - und über die monatelange künstlerische Auseinandersetzung mit einem kirchlich-religiösen Thema.

Die Schülerinnen und Schüler der "Privatbildungsanstalt für Kindergartenpädagogik" haben zum 1.200- Jahr-Jubiläum der Erzdiözese Salzburg ein Mysterienspiel erarbeitet, das mit Musik-, Tanz- und Schauspielszenen einen Bogen von den Gründungsjahren bis in die Gegenwart spannt. Die Professorin und Regisseurin Christine Schlechter hat das Drehbuch aus biblischen, historischen und eigenen Texten zusammengestellt. "Den Jugendlichen war es ein großes Anliegen, auch die dunklen Seiten der Diözesangeschichte aufzuzeigen. Sie sagten: ,Da müssen wir durch. Nur so können wir Visionen für die Zukunft finden.'" Ein ebenso großes Anliegen sei es aber gewesen, auch jede der "dunklen" Szenen, seien es die Raubzüge der Grafen von Plain, den Brand der Stadt, die Hexenprozesse oder den Verlust der Selbständigkeit des Fürsterzbistums, mit einem Blick in eine hoffnungsvollere, lichtere Zukunft abzuschließen.

"Wir erinnern in diesem Stück an die Schattenseiten, die jeder gerne verdrängt, und die doch verarbeitet werden müssen, wenn etwas besser werden soll", meint Michaela. "Immer wieder werden die gleichen Fehler gemacht", stellt Annemarie fest. "Schon vor 1.000 Jahren hatten die Menschen Vorurteile anderen, Fremden gegenüber." Die monatelange Auseinandersetzung mit Geschichte hat deutliche Spuren in den Argumenten hinterlassen: "Die Leute, die glauben, sie müssen einen Krieg anzetteln, sollten auch einmal etwas verlieren müssen, was sie total schmerzt, so wie es zum Beispiel die Salzburger zur Zeit der napoleonischen Kriege erlebten, aber das passiert nie", stellt Sarah fest.

"Voll etwas bewirkt" Ob ein Stück wie das ihre tatsächlich etwas in den Köpfen der Zuschauer bewegen kann, wird unterschiedlich eingeschätzt: "Das Spiel basiert zwar auf der Realität, ich glaube aber, daß viele das gar nicht kapieren. Für die ist dann diese Aufführung eine Abwechslung zu den Action-Filmen im Fernsehen", meint Katja.

Von den kirchlichen Würdenträgern hat Andreas Rohracher (Erzbischof von 1943 bis 1969) den größten Eindruck hinterlassen: "Besonders beeindruckt hat mich die Rede (zur Gründung der Superintendentur Salzburg-Tirol, Anm.), sie schien mir einfach phantastisch, fast unglaublich", erzählt Christina. "Als wir dann aber das Bischofsgewand bekommen haben, das uns die Erzdiözese leiht, und das Kreuz, das Rohracher getragen hat, da wurde für mich der Mythos zur Realität: Da hat sich tatsächlich jemand für etwas entschuldigt, für das er überhaupt nichts konnte!"

"Jetzt sehe ich erst, daß die wirklich etwas bewegt und bewirkt haben, das hat schon mit Rupert und Virgil angefangen", sagt Lydia. Sie sei durchaus kritisch, was "Kirche" betreffe, "aber das ist ein Punkt, der mich freut." Eine geradezu humorvolle Beschreibung ihrer Erfahrung durch die Arbeit am Mysterienspiel liefert Michi: "Ich meinte immer: Kirche - das sind ein paar Predigten und dann wieder einmal ein Jungschartreffen. Jetzt erst sehe ich, daß die voll etwas bewirkt haben."

Daß die kirchlichen Würdenträger heute nicht mehr "so reich" sind, wird allseits positiv vermerkt, ebenso, daß sich, wenn auch langsam, vieles verändere: Eine Entschuldigungsrede zu halten, wie Erzbischof Rohracher - der immer wieder erwähnt wird - "das hätte früher nie wer getan".

Daß ein Gespräch über kirchliche Belange, das irgendwann aus stundenplan-technischen Gründen ein Ende fand, so lebhaftes und persönliches Interesse junger Menschen erweckt, ist ein Signal, wie es sich "die Kirche" gar nicht schöner wünschen kann.

Das Mysterienspiel "Salzburg - SALZUHR Europas" ist ein zentraler Programmpunkt im Rahmen eines großangelegten museumspädagogischen Projektes, das unter anderem mit Mitteln des "Vereines der Salzburger Schulsponsoren" und unter der organisatorischen Leitung der Museumspädagogin Maria Katharina Aschaber realisiert werden konnte. Foto- Tanz- und Kunstprojekte sind im Entstehen und werden im Herbst, zu den Feierlichkeiten der Erzdiözese, vorgestellt. Am 19. September um 20.30 Uhr wird zum Abschluß des Diözesanfestes der "Katholischen Aktion" in der Kollegienkirche auch das Mysterienspiel noch einmal aufgeführt.

Daß viele dieser jungen Menschen offen, ja geradezu neu-gierig, in spirituelle Erfahrungen hineingehen, zeigten die Reaktionen auf die Frage, was die künstlerische Auseinandersetzung mit dem kirchlich-theologischen Stoff gebracht hätte. "Vieles versteht man einfach leichter, wenn man es in Bilder umsetzt", meint Alexandra. Und Julia bestätigt, daß sie vieles, was sie im Gottesdienst schon oft gehört hatte, im Spiel wiedererkannt und erst so bewußt wahrgenommen habe. "Eine solche Auseinandersetzung hat zudem den Vorteil, daß sie Platz läßt für eigene Interpretationen."

"Nachdem Rupert im Stück sagt ,Zuerst bauen wir Gott ein Haus', wird ein Choral eingespielt", erzählt Sarah und schwärmt: "Da herrscht eine mythische Stimmung, die ist total packend, sogar schon hier, im Schultheatersaal." - Künstlerische Auseinandersetzung hat sich einmal mehr als "Goldenes Tor" zu kirchlich-religiösen Themen und Erfahrungen erwiesen.

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