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Franz Olah und der Oktoberstreik 1950 stehen für ein Trauma der Gewerkschaftsbewegung, das bis heute nachwirkt.

Franz Olah * 1910

Gewerkschafter

Als junger Mensch habe ich Olahs Aufstieg zum Volkstribun und seinen politischen Absturz mit einer gewissen Faszination verfolgt. Olah war einer der ersten, der die Bedeutung der Massenmedien für die eigene politische Inszenierung erkannt hat, der sie zu nutzen wusste und schließlich auch selbst Einfluss auf sie erlangte. Seine Person ist untrennbar mit jenem für die Gewerkschaftsbewegung traumatischen Ereignis verbunden, das die Kultur derselben über Jahrzehnte prägen sollte: mit dem Oktoberstreik des Jahres 1950.

Franz Olahs frühes Engagement als Gewerkschafter und revolutionärer Sozialist führt zur dreimaligen Verhaftung durch das autoritäre Regime des Ständestaates. Von den Nazis wird er in das Konzentrationslager Dachau eingewiesen. Im kz knüpft er - im vielzitierten "Geist der Lagerstraße" - Kontakte zu Vertretern der bürgerlichen Parteien, die prägend waren für das Konzept der Wirtschafts- und Sozialpartnerschaft, das er als maßgeblicher Akteur mitgestaltet.

Kein Umsturzversuch

Adolf Schärf bezeichnet Olah einmal als "Jungen Mann in Eile": Er wird Zentralsekretär der Gewerkschaft Bau Holz - seiner politischen "Hausmacht" -, 1949 übernimmt er deren Vorsitz. Er wird Nationalratsabgeordneter, ögb-Vizepräsident, 1959 ögb-Präsident und 1963 Innenminister.

Sein fulminanter Aufstieg ist das Resultat seines hohen politischen und sozialen Einsatzes und seiner Popularität bei der gewerkschaftlichen Basis. Er bedient sich aber auch zweifelhafter Methoden mit denen er ein persönliches Netzwerk der Macht ausbaut und er scheut auch nicht zurück, die Ressentiments der Massen zu bedienen. Legendär ist seine Rolle, als im Oktober 1950 im Zuge des von der Gewerkschaft verhandelten 4. Lohn-Preisabkommens Streiks ausbrechen. Olah organisiert Streikbrechergarden und inszeniert sich als Abwehrkämpfer gegen einen kommunistischen Umsturzversuch. Die Finanzierung seiner Truppen bleibt weitgehend im Dunkeln, es gibt Mutmaßungen über eine Involvierung des cia. Belegt ist eine Hilfestellung durch die Industriellenvereinigung und die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft in Form von Lastwagen, Treibstoffversorgung und der Regelung der Lohnfortzahlung. Die These vom kommunistischen Putschversuch ist heute von der Geschichtswissenschaft widerlegt.

Der Ausbruch der Streiks erfolgte spontan, der ögb hatte die Stimmung in der Arbeitnehmerschaft falsch eingeschätzt. Die Interpretation der Niederschlagung als legitime Maßnahme in einem nationalen Abwehrkampf verhinderte eine kritische Aufarbeitung der Ereignisse im ögb. Dass abseits der Kontrolle des Apparates sozialer Protest entstand, war in gewissem Sinn ein traumatisches Erlebnis für die Gewerkschaftsbewegung. Es hatte meiner Ansicht nach wesentlichen Anteil daran, dass sich die gewerkschaftliche Politik in der Folge stark repräsentativ und wenig partizipativ entwickelte. Im Rahmen der institutionalisierten Sozialpartnerschaft wurde Politik eher für die Mitglieder als mit ihnen gemacht. Olah war ein typischer Repräsentant dieses Politikverständnisses. Damit will ich nicht sagen, dass diese Politik nicht erfolgreich gewesen wäre. Im Gegenteil, der sozialpartnerschaftlich organisierte Interessenausgleich brachte große sozial- und arbeitsrechtliche Fortschritte. Er führte aber auch zu einer Entpolitisierung der Mitgliederschaft, die bis heute nachwirkt.

Ausschluss aus der SPÖ

1964 war Franz Olah als Innenminister am Höhepunkt seiner politischen Karriere, mit guten Aussichten auf den Parteivorsitz. Dann platzte der Skandal um die Veruntreuung von Gewerkschaftsgeldern - ein Teil des Geldes war zur Finanzierung der Kronen Zeitung verwendet worden, ein anderer zur Unterstützung der fpö unter Friedrich Peter. Es kam zu einem Parteischiedsgericht gegen Olah und zu Demonstrationen seiner Anhänger, bei denen auch antisemitische Parolen gerufen wurden. Nach seinem Ausschluss aus der spö gründete er die rechtspopulistische "Demokratische Fortschrittliche Partei". Bei den Wahlveranstaltungen kam es wieder zu antisemitischen Kundgebungen, die durch Aussagen Olahs angeheizt wurden. Heute wird im dies offenbar nachgesehen, im Gedenkjahr 2005 verleiht im die Bundesregierung den höchsten Orden der Republik.

Der Autor war langjähriger Vorsitzender der Gewerkschaft der Privatangestellten und Präsident des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger.

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