Junges Ensemble im Designerambiente

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Der große Wurf blieb aus: Regisseur Claus Guth vollendete in diesem Jahr mit „Così fan tutte“ seinen Mozart-da-Ponte-Zyklus bei den Salzburger Festspielen, der 2006 mit „Le Nozze di Figaro“ begann. In seiner jüngsten Arbeit finden sich nur wenige bewegende und intensive Momente. Ein überzeugendes Gesamtkonzept ist kaum erkennbar.

Nach „Le Nozze di Figaro“ 2006 und „Don Giovanni“ 2008 hat Regisseur Claus Guth in diesem Jahr seinen Zyklus der Mozart-da-Ponte-Opern bei den Salzburger Festspielen mit „Così fan tutte“ vervollständigt – auf eher bescheidene Art und Weise: Zu selten finden sich in seiner jüngsten Regiearbeit bewegende Momente voller Intensität, zu wenig ist ein überzeugendes Gesamtkonzept erkennbar.

Im Einheitsbühnenbild einer gegenwärtigen Designer-Wohnung auf mehreren Ebenen (Bühne: Christian Schmidt) setzt nach einer feucht-fröhlichen Party das Spiel um Liebe und Treue ein – ein Spiel, das von jeher Regisseure vor Probleme gestellt hat. Denn so problematisch es sein mag, textgetreu die jungen Damen Fiordiligi und Dorabella ihre Verehrer Guglielmo und Ferrando in Verkleidung nicht erkennen zu lassen, so sehr spreizt sich auch eine Interpretation, bei der die Frauen das Prüfungsspiel der Männer von vornherein durchschauen und den bewussten Partnertausch mitmachen, gegen den Text.

Haarsträubender Aufwand

Wie es in diesem essenziellen Punkt die neue Salzburger Inszenierung im „Haus für Mozart“ hält, bleibt verschwommen. Zwar wird mit dem ersten Auftritt der verkleideten Männer ein haarsträubender Aufwand an unsinnigen Verrenkungen und Maskeraden ausgeführt, doch spätestens beim vorgetäuschten Giftselbstmord der Männer scheinen die Damen das Spiel durchschaut zu haben – und damit beginnt das von Don Alfonso den Herren wie ein Floh ins Ohr gesetzte Experiment ins Unbedeutend-Spannungslose abzudriften und endet mit dem üblichen Ratlosigkeitsszenario, das man von so vielen „Così“-Produktionen kennt. Dazwischen viel manchmal witziges, aber auch immer wieder sinnentleertes Bewegungsvokabular der Protagonisten (ein paar Tanzschritte da, ein bisschen Discozucken dort), plötzliche „Standbilder“ (auch wenn die „Erstarrten“ weiter zu singen haben), Videozuspielungen der einst so glücklich vereinten Paare und der aus dem vorjährigen „Don Giovanni“ bekannte Wald: Zuerst wird er nach dem Hochziehen eines Teils der Wohnungsrückwand nur im Hintergrund sichtbar, dann hat er sich im zweiten Akt bis um die zentrale Sitzgruppe vorgeschoben – Symbol dafür, dass die Ur-Triebe über allen Verstand zu dominieren beginnen oder dass gefühlsmäßige Unordnung mehr und mehr das Leben der beiden Paare bestimmt?

Das Publikum hat ausreichend Zeit, über diese Frage nachzudenken, denn wirklich gefangen nimmt die neue, nur in wenigen Momenten berührende und, je weiter der Abend voranschreitet, umso pauschalere Produktion nicht – was aber auch musikalische Gründe hat, denn Adam Fischer setzt Mozarts Partitur am Pult der Wiener Philharmoniker zwar wohl durchdacht und klangschön musiziert, aber auch allzu solide um. Es herrscht gefälliger Wohlklang, wo nötig lyrische Zurückhaltung und wo gefordert, rasantes Brio – eine im besten Sinne gediegene Leistung, aber keineswegs eine spannende.

Noch mehr als im Orchestralen vermisst man aber die starke Hand eines „Klangregisseurs“ am Pult bei der Führung des Sängerensembles, aus dem man zweifellos mehr an Gestaltung und Ausdrucksstärke hätte herausholen können. So bleibt es ein wenig bei der Darstellung von durchaus beachtlichen Talentproben: Miah Persson singt die Fiordiligi mit großer Sicherheit, bewältigt die Höhen und Tiefen der Rolle tadellos, besticht aber eigentlich nur im großen Rondo mit der Empfindung und künstlerischen Tiefe, die man sich auch in anderen Teilen der Rolle gewünscht hätte. Einen klangvollen, durch alle Lagen gleichmäßig geführten Mezzo von interessanter Farbe und klanglicher Expansionsmöglichkeit weiß Isabel Leonard als Dorabella zu präsentieren, während Florian Boesch mit etwas schnarrendem Bariton, aber umso größerer Musikalität und Nuancierungsgabe den Guglielmo gibt. Topi Lehtipuu lässt dagegen als Ferrando (mit allen drei Arien!) stimmliche Grenzen erkennen, auch wenn er sich auf beachtliche Art durch alle Hürden der Rolle hindurchmanövriert. Lyrischer Schmelz fehlt ihm in der Kantilene ebenso sehr wie Kraftentfaltung in den leicht zu Härten neigenden Höhen.

Aufgekratzte Despina

Sonor im Klang zeigt sich der frühere Guglielmo-Interpret Bo Skovhus jetzt als Drahtzieher Don Alfonso, und zwischen allen darf Patricia Petibon als aufgekratzte Despina in schrillen Outfits für nicht immer logisch erscheinende Auflockerungen in den Bewegungen sorgen, wenn gerade einmal wieder zu viel szenischer Stillstand eingekehrt ist. Munter wie ihr Spiel wirkt ihr Gesang mit vielen zusätzlichen Kadenzen und einigen nach oben oktavierten Phrasen, um jene Höhen zu demonstrieren, die man sonst nur bedingt in dieser Rolle zeigen kann.

Bei der Premiere am 30. Juli feierte das Publikum Solisten, Orchester und Dirigent ebenso wie das szenische Produktionsteam – immerhin ist man mit dieser „Così fan tutte“ näher am Stück als mit den Verrenkungen des letztjährigen „Don Giovanni“ – ein großer Wurf ist Claus Guth zum Finale seiner Mozart-Trilogie aber nicht gelungen.

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