Junges Theater erobert die Burg

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Der 29-jährige Michael Schachermaier verpasst Raimunds Zauberspiel "Der Alpenkönig und der Menschenfeind“ einen frechen Neuanstrich.

Wer wagt gewinnt“, hat sich Jung-Regisseur Michael Schachermaier wohl gedacht, als ihn der Burgtheaterchef Matthias Hartmann zur Neuinszenierung eines der großen Wiener Theaterklassiker einlud. Bisher war der erst 29-jährige Salzburger am Burgtheater nur in der Rolle des Assistenten von namhaften Regiegrößen wie Andrea Breth, Christoph Schlingensief oder Alvis Hermanis in Erscheinung getreten. Das Wagnis selbst auf der großen Burg-Bühne zu inszenieren hat sich aber gelohnt, Schachermaier hat Ferdinand Raimunds "Der Alpenkönig und der Menschenfeind“ einen frechen Neuanstrich verpasst.

Das "romantisch-komische Original-Zauberspiel“ um die magische Verwandlung des Menschenfeindes Rappelkopf gibt einen feinsinnigen Einblick in die Seelenqualen einer zerrissenen Gesellschaft. Raimunds Stück, geschrieben während der Metternich-Ära und voll von tiefschwarzen Pointen um Verleugnung und narzisstische Selbstüberschätzung, hält den eigenen Schwächen und Unzulänglichkeiten einen Spiegel vors Gesicht. Eine Radikalkur durch radikale Selbsterkenntnis sozusagen - und mit einem silbrig-glänzenden Programmheft lädt das Burgtheater sein Publikum auch gleich zum (Spiegel-)Selbsttest ein.

Kampf zweier Naturgewalten

Schachermaier lässt von Raimunds psychologischer Tiefenschau und abgründiger Gesellschaftskritik allerdings nicht viel übrig, in dieser fantastisch-surrealen Inszenierung liegt die ganze Kraft im Duell zweier Sturschädel: Johannes Krisch und Cornelius Obonya. Der eine, Krisch, turnt als Robin Hood der Alpen zwischen den Berggipfeln (Damian Hitz hat dafür eine sperrige Holzwand schräg über die Bühne gezogen) und gebärdet sich mal als gespenstischer Medizinmann, mal als hirschblutverschmierter Rockstar in Mick-Jagger-Manier. Rappelkopf als sein widerspenstiger Klient hält mit cholerischen Wutausbrüchen und paranoiden Wahnvorstellungen dagegen. Bis zum fulminanten Showdown, wenn sich Rappelkopf vom Alpenkönig sein wahres Ich vorführen lassen muss und geläutert dem Happy End entgegensteuert, hält einen dieser ungleiche Kampf zweier Naturgewalten in Bann.

Die Handlung wird fast zur Nebensache. Dabei ist das Ensemble mit Liliane Amuat und Peter Miklusz als unglücklichem Liebespaar, Regina Fritsch als treusorgender Ehefrau und einer herrlich schlitzohrigen Dienerschaft (Stefanie Dvorak und Johann Adam Oest) ebenfalls großartig besetzt.

Durch das Alpental klingen die poppigen Couplets der theatererprobten Musikerin Eva Jantschitsch alias Gustav, die gemeinsam mit ihren Bandkollegen die Live-Musik beisteuert. Jedem Protagonisten ist ein Eröffnungslied gewidmet. Der Takt der Musik gibt den Rhythmus des Stücks vor, jede Szene ist in kompakter Straffung auf eine Songlänge gekürzt.

Viel Gespür für den Moment

Davon profitieren vor allem die komödiantischen Einlagen und zahlreichen Verwandlungen, die ohne Effekthascherei, aber mit viel Gespür für den Moment inszeniert sind - hier kann vor allem Johann Adam Oest sein Talent fürs Komische unter Beweis stellen. Als gewiefter Hausdiener Habakuk (natürlich mit zweijähriger Auslandserfahrung in Paris) bekommt er immer wieder Szenenapplaus. Auch die fantastischen Zaubertricks sind dramaturgisch wunderbar gelöst. Sprühnebel, knallende Feuerwerkskörper und Theaterdonner dienen dem magischen Spiel auf der Bühne als selbstironischer Seitenhieb auf die vermeintliche Illusionskraft des Theaters.

Schachermaier hat mit dieser Premiere das Haus am Ring einer erfrischenden Verjüngungskur unterzogen, die vom Publikum mit Begeisterung und tosendem Applaus aufgenommen wurde.

Weitere Termine

10., 11., 15., 20., 21. Oktober

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