Justiz – zum Versagen gezwungen

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In diesen Tagen ist es ja schon beinahe liebgewonnene Sitte, die Staatsanwaltschaften, das Justizministerium – ja das österreichische Gerichtswesen insgesamt durch Sonne, Mond und Sterne zu kommentieren. Einfach ist diese Übung, beinahe so einfach, wie man die EU hierorts in Grund und Boden zu schreiben pflegt.

In beiden Fällen handelt sich um einigermaßen träge und wenig greifbare Institutionen, denen man sozusagen im Vorbeigehen den unheilspeienden Moloch an den Hals dichten kann. Beide berauben demnach den armen Bürger seiner mühsam errungenen Rechte und überantworten ihn der Herrschaft semikrimineller wirtschaftlicher oder politischer Zirkel. Was in Einzelfällen zutreffen mag, hat für das Gesamtbild ernste Konsequenzen: Im Falle der EU ist mittlerweile eine ganze Jungbürger-Generation drauf und dran, sich mit Bürokratur-Gelaber selbst zu verhetzen, anstatt zu prüfen, ob die schreckliche Staatenunion denn nicht auch Inhalte hätte, für die es sich zu kämpfen lohnte.

Jenseits der Dunkelmänner

Die österreichische Justiz wiederum wird aus dem Blickwinkel von fünf bis sechs Skandalfällen gesehen, und auf Basis dessen für völlig verderbt und korrupt gehalten: Buwog, Hypo, Hypo NÖ, Haider und seine mitnaschenden Freunderl, Buberl und Wüsten-Diktatoren: Die Justiz, so der Eindruck, ermittelt zu lange schleppend – wenn überhaupt, stellt Verfahren grundlos ein und gibt das zahme Schoßhündchen der vermeintlichen Delinquenten. Was hier aber als freiwillige Kumpanei der gesamten Rechtssprechung daherkommt, ist bei näherer Betrachtung ein systematisches Versagen der Politik. Denn Sie zwingt die Justiz gerade in politischen oder prominenten Fällen per Gesetz zum Scheitern.

Dabei geht es zum einen um das Weisungsrecht der Justizministerin, das der Gewaltentrennung substanziell zuwiderläuft und beide Institutionen, Politik und Justiz, einem permanenten Generalverdacht aussetzt – zu Recht übrigens. Doch mindestens ebenso fragwürdig ist, dass die Bürger dieses Landes vor dem Gesetz nicht gleich sind. Wenn es nämlich heißt, „der Staatsanwalt ermittelt unabhängig“, dann gilt das nur in Fällen unwichtiger Zeitgenossen.

Im Fall des Politikers Hinz oder des Prominenten Kunz muss der ermittelnde Staatsanwalt nicht weniger als acht Instanzen über den Ermittlungsverlauf informieren und sich seine Vorgangsweise absegnen lassen: Den Gruppenleiter, den leitenden Staatsanwalt, den Referenten bei der Oberstaatsanwalt, den leitenden Staatsanwalt bei der Oberstaatsanwaltschaft, den Referenten und den Leiter der Einzelweisungsabteilung im Ministerium, das Kabinett der Ministerin, die Ministerin.

Dramatische Folgen

Das macht solche Verfahren zu Endloswarteschleifen, stellt Unschuldige zu Unrecht unter jahrelange Vorverurteilung und vernichtet im Ernstfall berufliche Existenzen. So führt sich die glänzendste „Unschuldsvermutung“ von Amts wegen ad absurdum.

Mehr noch, gibt das Verfahren tatsächlich Schuldigen achtmal mehr Möglichkeiten, über Beziehungen zu einem der Beteiligten eine Verzögerung des Verfahrens zu erwirken, bis dass die Tat schlussendlich verjährt. Drittens erhöht es nicht gerade die Ermittlungsschärfe einer Staatsanwaltschaft, wenn sie sich für jeden Schritt vor Oberinstanzen rechtfertigen muss, die eventuell parteipolitische Interessen verfolgen. Wundert es da, dass manche Ermittlungen einfach vergessen werden, aus Angst vor dem karriereentscheidenden Fettnapf im Dschungel der Einflussnehmer?

Die Unabhängigkeit der Justiz wird nicht durch zig Millionen Euro bei den Not-„Justizgipfeln“ einer hilflosen Bundesregierung hergestellt. Sie fordert ein entschiedenes Aufbrechen der Befehlskette, die Befreiung der Ermittler von der politischen Kuratel – und nicht zuletzt: die Aufarbeitung des Missbrauchs der Justiz durch die Politik in den vergangenen 65 Jahren.

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