Kaiser Karls Entrückung

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Wieder strapaziert eine Seligsprechung - die des letzten Habsburgerkaisers - den Langmut vieler Katholiken. Man kann einwenden, im Kanonisierungsschub dieses Pontifikats (Johannes Paul II. hat mehr Selig- und Heiligsprechungen vorgenommen als alle seine Vorgänger zusammen!) fällt Karl I. wenig auf. Außerdem: Die katholische Kirche hat ja auch die Seligsprechung eines Pius IX., der Demokratie oder Religionsfreiheit verketzerte, ertragen.

Es soll nicht bezweifelt werden, dass auch Pius IX. oder Kaiser Karl fromm und subjektiv konsequent im Glauben waren. Aber diese persönliche Religiosität ist aus heutiger Sicht problematisch und als öffentliches Signal völlig deplatziert: Was soll im Fall Karls denn demonstriert werden? Dass man der Monarchie als doch "katholischerer" Staatsform nachtrauert?

Auch dem Argument, die Seligsprechung Karls sei ein Zeichen dafür, dass auch ein Politiker ein gerechtes Leben führen könne, ist nichts abzugewinnen: Solche Bewertung mag bei einem Architekten der deutsch-französischen Versöhnung und der europäischen Einigung wie Robert Schuman, für den gleichfalls ein Seligsprechungsverfahren läuft, stimmen. Aber gerade bei Karl als Politiker sind Fragen offen: Wie steht es etwa mit der politischen Verantwortung für den Giftgaseinsatz an der italienischen Front 1917? Gab es da je ein kaiserliches Wort des Bedauerns? Warum wurden beim Seligsprechungsprozess solche Fragen nicht öffentlich nachvollziehbar erörtert?

Man mag streiten, ob der junge Kaiser im Ersten Weltkrieg noch irgendetwas ausrichten konnte oder ob seine politische Unfähigkeit zu brandmarken ist, wie es der - gewiss nicht dem linken Spektrum zuzuordnende - Historiker Manfried Rauchensteiner im jüngsten profil tut. Aber man wird das Gefühl nicht los, dass Seine Apostolische Majestät a. D. durch die Seligsprechung solch irdischer, aber notwendiger Diskussion entrückt werden soll.

otto.friedrich@furche.at

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