Kaiser Karl I. - © APA-FOTO: APA/APA-IMAGES/IMAGNO/ANONYM

Kaiser Karls neue (Lebens-)Bilder

19451960198020002020

Die Wiener Historikerin Elisabeth Kovács hat das bislang umfangreichste Werk über Karl I. vorgelegt. Auch andere Neuerscheinungen zeichnen ein positives Bild des Kaisers.

19451960198020002020

Die Wiener Historikerin Elisabeth Kovács hat das bislang umfangreichste Werk über Karl I. vorgelegt. Auch andere Neuerscheinungen zeichnen ein positives Bild des Kaisers.

Werbung
Werbung
Werbung

"Ich stehe nicht an, das Oberhaupt der Familie Habsburg als Seine Kaiserliche Hoheit zu begrüßen." Trotz mancher Häme in den Medien vorab und manch irritierte Reaktion danach gewiss erwartend gab sich Wilfried Seipel, Direktor des Kunsthistorischen Museums, monarchisch: "Der Sammelleidenschaft der Habsburger verdanken wir das Kunsthistorische Museum", so der Hausherr seine im republikanischen Österreich umstrittene Titulierung von Kaisersohn Otto rechtfertigend. Der im Museumssaal versammelten Gemeinde konnte sich Seipel aber sicher sein: Denn die war zur Präsentation des in 17-jähriger Arbeit entstandenen Opus Magnum der Historikerin Elisabeth Kovács über Kaiser Karl erschienen.

Navigator

Liebe Leserin, lieber Leser,

diesen Text stellen wir Ihnen kostenlos zur Verfügung. Im FURCHE‐Navigator finden Sie tausende Artikel zu mehreren Jahrzehnten Zeitgeschichte. Neugierig? Am schnellsten kommen Sie hier zu Ihrem Abo – gratis oder gerne auch bezahlt.
Herzlichen Dank, Ihre Doris Helmberger‐Fleckl (Chefredakteurin)

diesen Text stellen wir Ihnen kostenlos zur Verfügung. Im FURCHE‐Navigator finden Sie tausende Artikel zu mehreren Jahrzehnten Zeitgeschichte. Neugierig? Am schnellsten kommen Sie hier zu Ihrem Abo – gratis oder gerne auch bezahlt.
Herzlichen Dank, Ihre Doris Helmberger‐Fleckl (Chefredakteurin)

Mit dem Buddha-Zitat (!) "Gebt den Worten ihren wahren Sinn wieder!" bedankte sich der 91-jährige Kaisersohn bei der Autorin der beiden Bände, die aus einer 800-seitigen wissenschaftlichen Biografie Karls von 1916 bis 1922 plus einem 1040-seitigen Kompendium von Originaldokumenten aus jener Zeit bestehen. Nicht nur der Sohn sah in dem rechtzeitig zur Seligsprechung des Vaters erschienenen Werk die Wahrheit wieder auf dem Weg. Der Großteil des Publikums stimmte dem greisen, aber sprühend agilen Oberhaupt des Hauses Habsburg per tosender Akklamation zu.

Der Historiker Helmut Rumpler von der Akademie der Wissenschaften würdigte das Werk seiner Kollegin Kovács und klagte, dass die Geschichte der Habsburger vom kulturellen Mainstream "marginalisiert und skandalisiert" worden sei. Rumpler charakterisierte den Umgang mit dieser Historie hierzulande als "geschichtsvergessen und geschäftstüchtig".

Diesem Zustand soll das Mammutwerk von Elisabeth Kovács abhelfen. Kovács war als Historikerin am Seligsprechungsverfahren beteiligt, die Bände seien quasi ein "Nebenprodukt" der Beatifikation, zumal sie - im Gegensatz zu früheren Historikern - erstmals Zugang zu vatikanischen Archiven gehabt habe, insbesondere die Kontakte Karls zu Papst Benedikt XV. betreffend und die damit im Zusammenhang stehenden Friedensbemühungen im Ersten Weltkrieg.

Das kolportierte Bild eines schwachen, dummen und unbegabten Kaisers stimme nach Elisabeth Kovács keineswegs.

Kovács' Fazit unterscheidet sich stark von bisherigen kritischen Stimmen aus der Historikerzunft (lesen Sie etwa hier das Interview mit Manfried Rauchensteiner): So betonte sie bei der Präsentation den Weitblick Karls auf eine Friedensordnung Europas hin und unterstrich ihre - neuen - Erkenntnisse zu seiner Persönlichkeit: Das kolportierte Bild eines schwachen, dummen und unbegabten Kaisers stimme keineswegs, im Gegenteil: Er sei stark, fromm, weitblickend gewesen und habe unermüdlich und beharrlich für den Frieden gearbeitet. Dass das Bild Karls in der Öffentlichkeit bis heute ein anderes ist, sei, so der Tenor von Kovács, auf die nachwirkende Entente-Propaganda - und da vor allem auf die Freimaurer - zurückzuführen.

Auch wenn man solche Schlüsse der Historikerin kritisch betrachtet: Kovács' Doppelband bietet eine Fülle an historischem Material und stellt eine Fundgrube dar - gewiss die umfangreichste historische Arbeit, die über die Regierungs- und Exilzeit Karl I. erschienen ist.

Biografien & Hagiografien

Vor der Seligsprechung Karls sind weitere Bände über ihn auf den Markt gekommen, die ebenfalls ein mehr als positives Bild des letzten Habsburgerkaisers zeichnen. Eva Demmerle, Otto Habsburgs Pressesprecherin, hat eine Biografie Kaiser Karls geschrieben, die kurzweilig und gut lesbar ist, und die - so darf gewiss angenommen werden - die Sicht des Hauses Habsburg über den letzten Kaiser darlegt. Insbesondere das der Biografie im Band angefügte Interview mit Karl-Sohn Otto spricht dazu eine berührende wie beredte Sprache.

Einen anderen Schwerpunkt hat der vom Wiener Kirchenhistoriker und Pfarrer Jan Mikrut herausgebrachte Sammelband "Kaiser Karl I. (IV.) als Christ, Staatsmann, Ehemann und Familienvater": Dabei handelt es sich um die Beiträge eines Symposiums, das im Februar in Wien stattfand. Autoren aus verschiedenen Ländern Europas nähern sich den im Titel genannten Attributen Kaiser Karls; obwohl auch hier viel historisches Material zu finden ist, ist die "hagiografische" Stoßrichtung evident: das Leben eines Seligen wird in verschiedenen Aspekten - etwa in Jan Mikruts "Mosaiksteinchen für eine spirituelle Biographie" - ausgebreitet.

Josef Gelmi, Kirchenhistoriker in Brixen und in obigem Sammelband ebenfalls als Autor enthalten, hat schließlich einen lokalen Aspekt zusammengefasst und ein Buch über "Karl I. und Tirol" verfasst. Auch dieser Band hat sich der positiven Würdigung des Habsburgers verschrieben: Die ersten 55 Seiten widmet Gelmi der Vita des neuen Seligen - immerhin der kürzeste und ebenfalls leicht lesbare Lebensüberblick in den zitierten Neuerscheinungen.

UNTERGANG ODER RETTUNG DER DONAUMONARCHIE? - Die Österreichische Frage. Kaiser und König Karl I. (IV.) und die Neuordnung Europas

Von Elisabeth Kovács.

KAISER UND KÖNIG KARL I. (IV.) Politische Dokumente aus Internationalen Archiven

Hg, von Elisabeth Kovács.

Böhlau Verlag, Wien 2004. 2 Bde., 800 und 1040 Seiten, geb., e 155,-

KAISER KARL I. - "Selig, die Frieden stiften" - Die Biographie

Von Eva Demmerle. Amalthea Verlag, Wien 2004. 320 seiten, geb., e 25,60

KAISER KARL I. (IV.) ALS CHRIST, STAATSMANN, EHEMANN UND FAMILIENVATER

Hg. von Jan Mikrut. Wiener Dom Verlag, Wien 2004. 616 Seiten, geb., e 33,-

DER LETZTE KAISER Karl I. (1887-1922) und Tirol

Von Josef Gelmi. Verlag A. Weger & Tyrolia Verlag, Brixen & Innsbruck 2004. 152 Seiten, geb., e 17,90

Navigator

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?

Mit einem Digital-Abo sichern Sie sich den Zugriff auf über 175.000 Artikel aus 40 Jahren Zeitgeschichte – und unterstützen gleichzeitig die FURCHE. Vielen Dank!

Mit einem Digital-Abo sichern Sie sich den Zugriff auf über 175.000 Artikel aus 40 Jahren Zeitgeschichte – und unterstützen gleichzeitig die FURCHE. Vielen Dank!

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung