kaiserliche interieurs - eine Fährtensuche

Werbung
Werbung
Werbung

Was in den Schlössern der weitverzweigten Habsburger-Familie einstmals zur Gebrauchs-Möblage zählte, ist im 18. und 19. Jahrhundert sogar aus den Winterresidenzen in hochdero Sommerfrischen mitübersiedelt. Schließlich umfaßt der Begriff "Mobiliar" (lateinisch mobilis bedeutet "beweglich") marschbereite Möbel plus Hausgerät, die heutzutage als Antiquitäten einen Milliardenschatz darstellen. Dieser fristete bis vor wenigen Jahren als fast unbekannte und nicht heizbare Schausammlung der Bundesmobilienverwaltung (BMobV) samt hochgestapelter Stilmöbel für allfälligen diplomatischen Bedarf ein mehr als kümmerliches Dasein. Es grenzt an ein Wunder, daß die Bestände des kaiserlichen Interieurs den Ersten Weltkrieg, die Erste Republik, die Nazizeit und den ZweitenWeltkrieg überdauert haben und in diesen Dezennien nur knapp zehn Prozent des Bestandes verlorengegangen sind.

Zu verdanken ist das der Tatsache, daß die Inneneinrichtungen der kaiserlichen Schlösser selten Eigentum der Habsburger waren und schon seit Kaiserin Maria Theresias Zeiten als Staatsbesitz galten - so daß im Jahr 1918 ihr Übergang in den Besitz der Republik Österreich keinerlei legistisches Problem darstellte und alles wohlbeamtet weiterlief. Als weiterer Grund für den Bestand ist die austriakische Zögerlichkeit sowie die kameralistische und diplomatische Bürokratie anzusehen. Letztere vermochte sich sogar gegenüber dem NSDAP-Gauleiter Bürckel (ab 25. März 1938 Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich) durchzusetzen, als dieser die wertvollen Stücke an seinen neuen Dienstort mitnehmen wollte: Nichts da - sie mußten ins Depot zurück und durften nicht ins Großdeutsche Reich auswandern.

In dem stattlichen Gründerhausbau in der Wiener Mariahilferstraße ist allerdings der altehrwürdige monarchische Ruch und Staub längst verflogen. Das Depot wurde bewußt zu einem Gegenstück des Österreichischen Museums für angewandte Kunst ausgebaut. Spiritus rector war und ist der Leiter des Referats Kustodische Angelegenheiten des Bundeshochbaus im Wirtschaftsministerium, Peter Parenzan: "Wir weisen die praktische Gebrauchsfähigkeit handwerklich-künstlerischer Raumausstattungen des 18. und 19. Jahrhunderts anhand ganzer Salons nach und vermitteln nicht das rein ästhetische Gefühl eines Einzelstückes". Trotzdem müssen 200.000 Objekte, darunter viele Leihgaben in In- und Ausland, EDV-erfaßt und samt Bild neu inventarisiert werden.

In den letzten vier Jahren haben sich Parenzan und seine beiden Mitarbeiterinnen auf kunsthistorische Fährtensuche begeben. Dabei sind sie auf umfangreiche "ärarische Fälschungen" gestoßen. Der bis heute als biedermeier-typisch angesehene uni-grüne oder mit gelb-beige-weinroten Längsstreifen versehene grüne Ripsbezug wurde nämlich ob seiner Strapazierfähigkeit erst viel später für die Beamtenschaft genutzt und auch mit der Vorliebe für Blümchenstreifen ist kein Staat zu machen. Denn beides ist kein echtes Biedermeier, weil die originalen Polsterungen weder grün noch geblümt, sondern uni mit starken Farbkonstrasten (rot, rosa, chamois, blau, harmonisierend mit den Wandtapeten) waren, gesäumt von farblich abstechender prächtiger Posamenterie.

Dazu kommt noch eine weitere Erkenntnis: Die beiden klassischen Möbelstile der nachjosefinischen und (nach)napoleonischen Zeit - Empire und Biedermeier - existierten praktisch nebeneinander! Der pompöse Stil Napoleons mit schweren bronzenen Beschlägen und intarsiertem Ornamenten-Furnier blieb dem Adel zur Repräsentation von Reichtum und Würde vorbehalten, während das schlichte und zweckentsprechende Biedermeier zunehmend die bürgerlichen Einrichtungen bestimmte. Zur Zeit des Wiener Kongresses waren es die Wiener Tischler, die Metternichs fürstlichen und gräflichen Konferenz- und Tanzpartnern aus ganz Europa die kunstvoll-einfachen Möbel schmackhaft und damit den Wiener Stil international bekannt machten.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung