Kampagnen-Nachhilfe aus den USA

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Nach der US-Wahl trafen sich die Kampagnenmanager, um ihre Strategien zu analysieren. Was sich österreichische Parteien davon abschauen können.

Ein depressiver Schock. So beschreibt Christian Scheucher das Gefühl, das er regelmäßig verspürt, wenn er aus den USA nach Österreich zurückkommt. Auch diesmal machte es sich bemerkbar: Als einziger Nicht-Amerikaner nahm der österreichische Politikberater, Lobbyist und Ex-ÖVP-Mitarbeiter im Dezember an der "Campaign Decision Makers Conference“ der Harvard Universität teil. Alle vier Jahre treffen dort ein paar Wochen nach der US-Wahl Kampagnen- und Wahlkampfmanager von Republikanern und Demokraten aufeinander. Um - vor Journalisten und Fachpublikum - ihre Kampagnenstrategien zu diskutieren. Auch David Axelrod, der Chefstratege von Barack Obama, plauderte aus dem Nähkästchen.

Nicht nur die Transparenz, auch die Art, Wähler zu mobilisieren, unterscheidet die Amerikaner von den Österreichern. "Höchst professionell, mit neuen Kampagnentools und bis zum Ende durchgedacht“, beschreibt Scheucher die Arbeit der Amerikaner. In Wien tourte, als er zurückkam, gerade die SPÖ mit dem Punsch-O-Mobil, um für ein Berufsheer zu werben.

Auch wenn sich US-Wahlkämpfe stark von den östereichischen unterscheiden: Zumindest einzelne Bausteine könnten sich alle österreichischen Parteien von den US-Strategen abschauen.

Fernsehspots zur falschen Zeit

Während in den USA kleinste Wählerzielgruppen direkt adressiert werden, verläuft die Wählermobilisierung in Österreich häufig entlang der Bundesländergrenzen. Das zeigt sich auch in den aktuellen Kampagnen zur Volksbefragung. Die SPÖ verschickt Pro-Berufsheer-Briefe nur an Wähler in Wien und im Burgenland. Die ÖVP schickt Vizekanzler Michael Spindelegger durch das Burgenland, Vorarlberg, Tirol und Salzburg, um für die Wehrpflicht zu werben. Dazu kommen Plakate, die aber nicht flächendeckend eingesetzt werden. Das "Pro-Wehrpflicht“-Komitee unter Veit Sorger affichiert "Österreich verpflichtet“ und schaltet Fernsehspots. Für die SPÖ werben "Frauen für das Berufsheer“. Und ein Personenkomitee unter Hannes Androsch wirbt mit Spots im Kino, Privat-TV und Radio. Die Grünen plakatieren nur in Niederösterreich "Wehrpflicht hat ausgedient“. Und wollen damit Synergien nutzen: "Die Dreieckständer werden im Anschluss an die Volksbefragung für die Landtagswahl weiterverwendet“, sagt Bundesgeschäftsführer Stefan Wallner.

Besonders laut läuft die Werbemaschinerie jetzt, wenige Tage vor der Volksbefragung. Christian Scheuchers Erfahrungen vom Kampagnen-Gipfel zufolge ist das nicht unbedingt die beste Strategie: So haben die Demokraten in USA fast ihren ganzen Fernseh-Etat bereits im Frühsommer eingesetzt. Unmittelbar vor der Wahl, so das Kalkül, sei die Berichterstattung, die "free media“, ohnehin so intensiv, dass das Publikum auf Werbung nicht mehr stark reagiert. Das stimmt auch für Österreich: In den letzten zehn Tagen gab es auf drei Sendern insgesamt fünf Fernsehdiskussionen zum Thema Bundesheer.

"Chillen statt drillen“ im Internet

Auch die Inserate, die dieser Tage geschaltet werden, hält Scheucher für "rausgeschmissenes Geld“. Bei der US-Konferenz waren sich alle einig, woher die Überlegenheit der Demokraten rührt: aus dem Einsatz neuer Technologien.

An sozialen Netzwerken versuchen sich auch die österreichischen Parteien: Der Facebook-Auftritt der ÖVP zeigt derzeit Michael Spindlegger im Gespräch mit Zivildienern. Und auf Bundeskanzler Faymanns Profil sieht man ihn beim ORF-Bürgerforum. Aus dem SPÖ-Umfeld ist die Mitmach-Seite www.wehrpflichtade.at entstanden. "Die Videos auf der Website des Personenkomitees wurden über 200.000 Mal angesehen“, sagt Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter. Besonders stark setzen die Grünen aufs Internet: Provokante Online-Sujets mit Slogans wie "Nightlife statt Tagwache“ oder "Chillen statt drillen“ sollen sich, weil sie witzig sind, über Facebook und Co. praktisch von selbst verteilen. "Politik darf auch Spaß machen“, meint Stefan Wallner dazu: "Uns geht es dabei gerade auch um die jungen Leute.“

Obama-Strategen für Erwin Pröll

Die eigenen Wähler tatsächlich dazu zu bringen, am Sonntag ein Kreuzerl zu machen, ist auch für ÖVP und SPÖ die größte Herausforderung. In den USA greift man dazu auf hochentwickelte Datengenerierungssysteme zurück. In Österreich wird großflächiger gearbeitet. "Wir mobilisieren über Information“, sagt Günther Kräuter: "Alle Meinungsforscher sind sich einig, dass mit steigender Information die Tendenz für ein Berufsheer zu stimmen zunimmt.“ Aber auch für die ÖVP sind Studien ein wichtiges Kampagneninstrument: Insgesamt zehn Bundesheer-Studien - von Kostenaufstellung über Bewerberzahlen, von Fraueninteressen bis zum Integrationseffekt - wurden in die Diskussion eingeworfen, um den jeweiligen Standpunkt wissenschaftlich zu belegen.

Doch genau in der Markt- und Meinungsforschung sieht Scheucher ein Manko in Österreich: "Da wären Quantensprünge möglich. Die Verantwortlichen beschäftigen sich zu wenig damit. Und die Ergebnisse können nicht richtig interpretiert werden.“ In den USA kenne man die Wählerstruktur von jedem einzelnen Wahlkreis genau - durch Millionen persönlicher Kontakte, die alle in eine Datenbank eingespeist werden.

Auf Direktkommunikation mit potenziellen Wählern setzen auch SPÖ und ÖVP bei unzähligen Veranstaltungen und Diskussionen. Und die Grünen stellen sich mit Notar in Fußgängerzonen, um Unterstützungserklärungen für ihr Anti-Korruptionsvolksbegehren auf der Straße zu sammeln: "Man muss den Menschen ein Angebot machen, etwas direkt gegen Korruption zu tun“, sagt Wallner.

Um diese Begegnungen aber über den Einzelkontakt hinaus auch strategisch umsetzen zu können, fehle in Österreich das Know-how, meint Scheucher. Das, empfiehlt er, soll man holen: "Wenn Erwin Pröll sich ein halbes Jahr lang von zwei Obama-Strategen unterstützen ließe, müsste er sich keine Sorgen um die absolute Mehrheit machen.“

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