Kampf um Österreichs ISLAM

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Wegen ihrer Reaktion auf die Islamlehrerstudie stehen die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ) und ihr Präsident im Kreuzfeuer der Kritik. Doch Anas Schakfeh trotzt allen Rücktrittsaufforderungen. Er will der IGGiÖ noch eine neue Verfassung verpassen.

Die Zeiten für die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich IGGiÖ waren schon lustiger. Das mediale Trommelfeuer, das von Daten aus der Studie des Islamwissenschafters und FURCHE-Kolumnisten Mouhanad Khorchide ausging, hat zu einer schweren Belastungsprobe für die staatlich anerkannte Religionsgemeinschaft geführt. Das konzedieren auch in der IGGiÖ Engagierte: Es handle sich um eine der "stärksten Krisen", meint etwa Moudar Khouja, rechte Hand von Präsident Anas Schakfeh, und sei "höchst unangenehm".

Auch der Wiener SP-Gemeinderat Omar Al-Rawi, Integrationsbeauftragter der IGGiÖ, pflichtet solcher Feststellung bei und versucht gegenüber der FURCHE zu analysieren, wie es zur aktuellen Situation gekommen ist. Al-Rawi ortet einen "Cocktail" von Gründen: Die Glaubensgemeinschaft habe einiges an Nachholbedarf und müsse die Strukturen an die aktuellen Gegebenheiten anpassen. Das solle jetzt durch eine neue Verfassung, die sich die Glaubensgemeinschaft geben will, geschehen. Al-Rawi führt dazu auch "Pragmatismus" ins Treffen: Die Islamische Glaubensgemeinschaft versuche, so weit es gehe, alle islamischen Verbände unter einem Dach zu vereinen. Das ergebe dann weniger Beweglichkeit und verlange Kompromisse. Damit seien "nicht alle glücklich", aber auch nicht alle seien unzufrieden.

Das Problem des Pragmatismus

Was Kommunalpolitiker Al-Rawi hier darstellt, deckt sich mit Expertenmeinungen von außen. So äußert etwa auch der Wiener Religionsrechtler Richard Potz, der sich seit Jahren mit Rechtsfragen rund um den Islam auseinandersetzt, eine durchaus ähnliche Sicht der Dinge (vgl. Interview, Seite 5).

Vor kurzem ist die Studie "Sondermodell Österreich?" von Maja Sticker erschienen, die sich mit der Islamischen Glaubensgemeinschaft beschäftigt (Drava Verlag, Klagenfurt 2008). Diese wissenschaftliche Publikation ist auch insofern erhellend, als darin die Debatte um radikale Prediger und Imame in Österreich aus dem Jahr 2005 analysiert wird. Zur Erinnerung: Zeitungen spürten damals (mutmaßlich) radikale Imame auf.

Die Islamische Glaubensgemeinschaft wusste wenig, gelobte Besserung und rückhaltlose Zusammenarbeit mit dem Staat. Die Sache ist heute weitgehend vergessen, wenn auch in der Öffentlichkeit das Wort "Hassprediger" schnell zur Stelle ist (zuletzt im Jänner bei der Predigt eines bekannten Wiener Imams zum Gaza-Konflikt).

Letzte Woche, bei der Wiener Präsentation von Stickers Buch über die IGGiÖ, sprach Omar Al-Rawi von "Feuer am Dach" und kritisierte das mediale Krisenmanagement der Glaubensgemeinschaft. Unprofessionelle Kommunikation der muslimischen Vertretung bemängelt auch Paul Schulmeister. Der ehemalige Deutschland-Korrespondent des ORF hat vor einigen Jahren die "Plattform Christen und Muslime" initiiert. Gegenüber der FURCHE äußert er seine Betroffenheit über die zutage getretenen Probleme bei den Islamlehrern. Eine gemeinsame Stellungnahme der Plattform sei nicht möglich gewesen, weil die christliche Seite es den muslimischen Gesprächspartnern nicht abnehmen konnte, die Dinge selbst zu klären.

Plädoyer für ehrlichen Dialog

Schulmeister plädiert beim Dialog für Ehrlichkeit: Viele Muslime weltweit hätten tatsächlich Probleme mit der Demokratie westlicher Ausprägung; deshalb wundern ihn die diskutierten Studienergebnisse bei islamischen Religionslehrern nicht. Allerdings finde in der muslimischen Community "ein Wachstumsprozess" statt, ein mühsamer zwar, der aber unübersehbar im Gang sei. Schulmeister: "Der Islam hat das Potenzial zur Entwicklung", man müsse alles tun, um das gegenseitige Vertrauen zu stärken. Abseits der aktuellen Debatten plädiert Schulmeister daher für viele weitere Gespräche und Begegnungen.

Tatsächlich war in der überhitzten Auseinandersetzung der letzten Tage wenig über Entwicklungsfortschritte in der institutionellen Integration von Muslimen in Österreich zu hören. Dass auch der Religionsunterricht heute auf einer anderen Stufe steht wie vor 10 Jahren, ergibt sich auch aus der Studie von Mouhanad Khorchide. Gleichwohl kritisiert der Studienautor weiter die für ihn zu langsame Reaktion der IGGiÖ auf diese Auseinandersetzung (vgl. Seite 3).

Nur 1000 "zahlende" Mitglieder?

Eine wesentliche Kontroverse betrifft die Frage der Repräsentanz der Glaubensgemeinschaft. Sie erreiche nur einen Bruchteil der Muslime, so die Argumentation von Kritikern, auch die differenzierte Betrachtungsweise von Maja Stickers Studie kommt auf etwa 1000 Personen, die die Mitgliedsbeiträge bei der IGGiÖ bezahlt hätten und daher wahlberechtigt seien.

IGGiÖ-Referent Khouja will sich auf diese konkreten Zahl nicht einlassen. Er weist darauf hin, dass die derzeitige Verfassung der IGGiÖ jedenfalls alle islamischen Verbände zu erfassen sucht. Dass der größte türkische Verband, die vom Religionsministerium in Ankara betriebene Vereinigung ATIB, nicht in den Gremien der Glaubensgemeinschaft mitmache, sei bedauerlich. Allerdings sei die ATIB sehr wohl im Beirat der IGGiÖ vertreten.

Khouja verweist einmal mehr auf die neue Verfassung, welche die Glaubensgemeinschaft im Kultusamt zur "Kenntnisnahme" eingereicht hat und die, wie er hofft, bald in Kraft treten kann. Allerdings lägen die Verzögerungen auch beim Ministerium. Eine Nachfrage der FURCHE im Bildungsministerium, wo das Kultusamt angesiedelt ist, führt zur Auskunft, dass die Verfassung Sache der Glaubensgemeinschaft sei, der Ball also bei den Muslimen liege.

Präsident Anas Schakfeh, der zurzeit mit medialen und politischen Rücktrittsforderungen überhäufte Präsident der Glaubensgemeinschaft, meinte zur FURCHE, dass die Gremien der IGGiÖ am 14. Februar über die endgültigen Formulierungen der Verfassung, in denen auch die Änderungswünsche des Kultusamtes berücksichtigt seien, befinden werden. Schakfeh, dessen Amtszeit bereits abgelaufen ist und der bei den nächsten Wahlen auch nicht mehr kandidieren will, hofft, dass die neue Verfassung noch im Frühjahr in Kraft tritt und die dann durchzuführenden Wahlen noch vor dem Sommer möglich sind. Schakfeh-Intimus Khouja: "Sollten sich die Wahlen vor dem Sommer nicht mehr ausgehen, dann ist das nicht die Schuld der Glaubensgemeinschaft."

Politische Agenda zu Schakfeh

Schakfeh gibt sich ob der aktuellen Rücktrittsaufforderungen unbeeindruckt: "Meine Gemeinschaft - und nicht die Medien! - entscheidet über solche Schritte." So will er bis zu den Wahlen ausharren. Der IGGiÖ-Präsident ortet in den gegenwärtigen Angriffen auf seine Person auch eine politische Agenda: Die Anwürfe seien seit seinen pro-palästinensischen Äußerungen Anfang Jänner intensiviert worden. Schakfeh: "Ich habe zu den Angriffen auf Gaza nur einen Bruchteil der Empörung zum Ausdruck gebracht, die bei uns herrscht."

Schließlich verweist Schakfeh auf die Anfang der Woche mit Bildungsministerin Claudia Schmied vereinbarten Sofortmaßnahmen bei den islamischen Religionslehrern (siehe unten). Für den Präsidenten ist die Diskussion um den islamischen Religionsunterricht damit abgeschlossen: "Wir waren in der Vergangenheit nicht untätig - und wir sind es, wie die Vereinbarung mit der Ministerin zeigt, auch gegenwärtig nicht!"

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